Das familiengeführte Unternehmen Stihl ist gut und erfolgreich in dem, was es tut. Sonst wäre der Hidden Champion aus Waiblingen bei Stuttgart nicht führend im Weltmarkt für Motorsägen. Trotzdem ruht er sich nicht auf den Lorbeeren seines Stammgeschäfts aus. Seine Zukunft sieht der Mittelständler aus dem Ländle in der Digitalisierung. Beim Entwicklen vernetzter Produkte sowie Innovationen in Akkutechnologie und Robotik sucht Stihl die Kooperation mit Startups und zeigt sich damit offener als viele andere traditionsreiche Unternehmen.
Kontakt zwischen jungen Startups und etablierten Unternehmen, auch als Grownups bezeichnet, ist keine Selbstverständlichkeit. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom arbeiten 65 Prozent aller Unternehmen nicht mit Startups zusammen. In vielen Fällen schlichtweg, weil es am Kontakt zu Gründern fehle. Um diesen Engpass zu umgehen, ergreift Stihl selbst die Initiative. Das Traditionsunternehmen fördert Pioniere mit einem eigenen Programm namens Activatr und beteiligt sich am High-Tech Gründerfonds (HTGF), dem größten Seedfonds zur Finanzierung junger Technologieunternehmen in Deutschland. Über die Hintergründe und Erfahrungen berichtete Stihl auf der 9. High-Tech Partnering Conference (HTPC) in Bonn.
Startups und Grownups: Warum sich die Annäherung doch lohnt
Die HTPC bringt alljährlich junge Gründer und erfahrene Technologieunternehmen aus ganz Deutschland zusammen, um mögliche Kooperationen zu schnüren. In diesem Jahr drehte sich die vom High-Tech Gründerfonds ausgerichtete Konferenz um die „Begegnung auf Augenhöhe zwischen Startups und Grownups“. Unter dem Motto „Stihl digital und agil in die Zukunft – von der Strategie zur Umsetzung“, berichtete Stihls Vorstandsvorsitzender Bertram Kandziora, wie das Unternehmen Stihl die klassische deutsche Scheu vor Veränderung ablegen konnte und sich zudem nicht nur auf die gewöhnliche Digitalisierung von internen Betriebsabläufen eingelassen, sondern auch sein Produktportfolio in das digitale Zeitalter geholt hat.
Die Motorsäge wird vernetzt
Aus der auf den ersten Blick ungewöhnlichen Idee, die Kettensäge in die Cloud zu bringen, entstand laut Kandziora die Vision, den Großteil des Produktportfolios zu digitalisieren. Ende 2017 wurde zudem bekannt, dass das Unternehmen seine Produkte über den „STIHL Connector“ an einen Webservice anbinden will, um beispielsweise Betriebsausfälle, Verschleiß und letztendlich anfallende Kosten gesammelt und übersichtlich im Blick zu halten. Ein GPS-System für Förster und Försterinnen soll den Prozess zum Fällen von Bäumen vereinfachen und Holzfäller per Navigation zu den markierten Bäumen führen.
Nicht nur als Förderer des High-Tech Gründerfonds will Stihl den Kontakt zu weiteren innovativen Ideen von Gründern herstellen. Die eigene Initiative „Activatr“ soll ebenfalls an dieser Stelle ansetzen. Ein kleines Team aus Stihl-Mitarbeitern und Gründern tüftelt hier gemeinsam an digitalen Geschäftsideen. Im vergangenen Jahr entstand aus dieser neuen Form der Kooperation bereits ein Unternehmen, das Software-Lösungen für Team-Kommunikation entwickelt: die Freiraum GmbH.
Stihl schafft neuen Unternehmensbereich für Digitalisierung
Das Zusammentreffen im Netzwerk des High-Tech-Gründerfonds spiele für Stihl eine große Rolle, wie Kandziora im Gespräch mit Netzpiloten betont. Vor allem die Startup-Pitches, bei denen Gründer zweieinhalb Minuten Zeit haben, ihr Geschäftsmodell zu präsentieren und zudem Kooperationen zu finden, seien inspirierend.
Eine besondere Rolle, den „Startup-Geist“ in das traditionelle Familienunternehmen zu bringen, spielt bei Stihl auch Christian Vogt, Chief Digital Officer (CDO). Vor einem halben Jahr stieß Vogt auf das Motorsägen-Unternehmen und bringt seitdem einen Hauch Silicon Valley in das mittelständische Familienunternehmen. Er leitet zudem den neu gegründeten Bereich „Digitalisierung“. Acht Jahre verbrachte Vogt in der Hochburg für technologischen Fortschritt in Kalifornien. Im gemeinsamen Gespräch verriet er, dass Startups und Corporates bzw. Grownups gleichermaßen von einer Zusammenarbeit profitierten. Einerseits aufgrund der Expertise der erfahrenen Unternehmen. Andererseits öffne die Zusammenarbeit mit Startups den Kontakt zu ganz neuen und wichtigen Bereichen.
Technologie gegen Marktzugang: So profitieren alle
Untermalt wird Vogts Aussage außerdem von der seit einem Jahr bestehenden externen Beteiligung an GreenIQ, einem israelischem Startup-Unternehmen, das sich mit Entwicklung und Vertrieb vernetzter Produkte rund um das Thema Gartenanwendungen, wie Bewässerung oder Beleuchtung, beschäftigt. „Die Beteiligung an GreenIQ zeigt besonders schön, wie wertvoll die Zusammenarbeit zwischen Grownups und Startups ist und welchen Mehrwert sie wirklich für beide Seiten bietet. Während GreenIQ Stihl technologisch deutlich schneller vorantreiben konnte, schufen wir andererseits die notwendigen Vertriebskanäle. Die können einem jungen Unternehmen oft noch fehlen“, so Kandziora. Stihl und die Startups: Ein gutes Beispiel dafür, wie auch gestandene Traditionsunternehmen noch von jungen Gründern lernen können.
Im in Kürze erscheinenden zweiten Teil unserer Berichterstattung zur 9. High-Tech Partnering Conference erfahrt ihr, wie Unternehmenscoach Stefan Balzer, deutscher Botschafter der Silicon-Valley-Bewegung „SingularityU“, deutschen Führungskräften ein „digital mindset“ verpasst und welchen Mehrwert das bietet.
Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit dem High-Tech Gründerfonds.
Images by High-Tech Gründerfonds
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Schlagwörter: digitalisierung, grownups, High-Tech Gründerfonds, HTPC 2018, Kooperation, Mittelstand, startups, Stihl