Syrische Flüchtlinge dokumentieren ihre Flucht auf Instagram und Facebook mit Smartphone-Schnappschüssen. Fotos sind für syrische Flüchtlinge oft der einzige Weg, um ihre Flucht in Erinnerung zu behalten und zu dokumentieren. Doch viele von ihnen haben die Bilder ihrer Flucht nicht nur geknipst, sondern sie danach auch auf sozialen Netzwerken wie Instagram oder Facebook veröffentlicht: als Erinnerung, als Mahnung, als Nachricht und als Botschaft. In einem Hotel in Athen hat Netzpiloten-Autorin Marinela Potor zwei syrische Flüchtlinge getroffen, die ihr ihre Geschichte erzählt haben, zusammen mit Fotos von der Flucht.
Wer in den Urlaub fährt, macht Fotos. Wer als Syrer auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung ist auch. Was zunächst merkwürdig anmutet, ist eigentlich ganz logisch. Viele Flüchtlinge posten ihre Fotos auf sozialen Netzwerken, nicht nur um die Flucht zu illustrieren und festzuhalten, sondern auch um sie zu verarbeiten. Um ihren zurückgebliebenen Verwandten und Freunden zu zeigen, dass es ihnen gut geht. Um anderen Flüchtlingen Hoffnung zu machen. Um auf der schwierigen Flucht wenigstens einige wenige schöne Momente zu schaffen – selbst wenn es nur das Lächeln für den Schnappschuss ist.
Eindrucksvolle Fluchttagebücher in Bildern
So haben auch Maziad Aloush und Kamal Kawsara ihre Flucht aus Syrien, Land um Land, Grenzzaun um Grenzzaun, in Bildern festgehalten. Maziad ist mit seinen Brüdern per Boot und über Land nach Deutschland geflüchtet. Kamal ist über Boote, Busse und ein Flugzeug nach Belgien geflohen. Ihre Flucht-Fotos haben sie mit ihren Smartphones gemacht, um sie später auf Facebook oder Instagram zu veröffentlichen.
Auch Monate nach ihrer Flucht, schauen sie noch die alten Bilder an und erinnern sich and beschwerliche, aber auch an schöne Momente ihrer Flucht. Viele der Fotos erinnern in ihrer Selfie-Pose an ganz normale Urlaubsfotos, doch wer genau hinguckt erkennt schnell: diese Fotos haben wenig mit einem entspannten Ferienausflug zu tun. Sie zeigen wie die Flüchtlinge tagelang zu Fuß über die Balkanroute wandern, wie sie ohne Essen und ohne ein Dach über dem Kopf Schritt für Schritt ihrem Zielland näher kommen.
Flüchtlingsbilder wie die von Maziad und Kamal zeigen die schwierigsten, aber auch die hoffnungsvollsten Momente ihrer Flucht. So ist ein eindrucksvolles Bild-Tagebuch ihrer Flucht entstanden.
Ankunft in Europa
Endlich Europa! Maziad hat zum ersten Mal in seinem Leben (und das auch noch Nachts im Dunkeln) ein Boot gesteuert, um aus der Türkei zur griechischen Insel Lesbos zu gelangen. Nachdem ihm ein Schlepper um all sein Erspartes betrogen hatte, konnte er es sich nur so leisten, sich und seine zwei Brüder nach Europa zu bringen. Während Kamal tagelang vergeblich darauf wartet, mit gefälschten Pass per Flugzeug nach Frankreich zu fliegen, schaut er sich die Akropolis an. “Ich musste dabei an Syrien denken und wie viele historische Bauten dort durch den Krieg zerstört wurden.”
Um nach Mazedonien zu kommen, mussten Maziad und seine Gruppe 84 Kilometer zu Fuß durch den Wald stapfen. “Wir hatten nur Datteln zu essen und sehr wenig Wasser. An einem Punkt hatten wir kein Wasser mehr, und es war sehr heiß. Genau dann sind wir an eine Bergquelle gekommen – das war das beste Wasser, was ich je getrunken habe.” Einen einfacheren Weg gibt es nicht, denn dies ist die einzige Route, mit der Maziad und die anderen die strikten Grenzkontrollen in Mazedonien umgehen.
Kamal hat es mit sieben falschen Pässen nicht geschafft, einen Flug nach Frankreich zu bekommen. Er beschließt deswegen, mit dem Boot zurück nach Rhodos zu fahren und hofft, dass er dort mit seinem allerletzen Pass durch die Passkontrolle gelassen wird.
Die neue Heimat
Kamal hatte Glück. Er konnte mit seinem letzten Pass von Rhodos nach Paris fliegen. Hier holt ihn sein Bruder ab und sie fahren gemeinsam in Kamals neue Heimatstadt: Brüssel. Seit drei Monaten ist er mittlerweile hier und lernt schon fleißig Französisch: “Ich fühle mich sehr wohl hier und hoffe, dass ich die Sprache schnell lerne und mich möglichst schnell in die Gesellschaft aktiv einbringen kann.”
Nach vielen Monaten auf der Flucht sind sie endlich am Ziel. Maziad und seine Brüder werden von ihrem Cousin in Düsseldorf am Bahnhof abgeholt. Mittlerweile sind sie in einer Flüchtlingsunterkunft in Dorsten bei Dortmund – und warten immer noch darauf, dass ihr Aufenthaltsantrag geprüft wird.
Auch er sieht seine Zukunft in Deutschland: “Ich hoffe, es dauert nicht mehr lange, bis wir die Papiere haben. Dann kann ich endlich anfangen zu arbeiten und ein Flugticket für meine Eltern kaufen. Sie sind noch in Syrien – und sie sollen nicht wie ich über Land nach Deutschland kommen müssen.”
Unvergessliche Bilder
Wie auch viele andere Flüchtlinge haben auch Maziad und Kamal ihre Flucht nicht nur für sich, sondern auch für andere in Bildern auf sozialen Netzwerken wie Instagram oder Twitter festgehalten. Sie werden ihre Flucht sicherlich niemals vergessen, doch sie wollen auch, dass die Welt sie nicht vergisst. Ihre Bitte an die Netzpiloten: “Bitte veröffentlicht unsere Fotos! Wir möchten, dass so viele Menschen wie möglich unsere Bilder und unsere Geschichte sehen!”
Image (adapted) “Syrian Refugees Crisis – HUNGARY IGNORANCE” by Freedom House (CC0 Public Domain)
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Schlagwörter: deutschland, dokumentation, Europa, Flüchtlinge, Fotos, geschichte, Gesellschaft, Menschen, Smartphone, Soziales-Netzwerk, Syrien