Seit 1997 lebe ich nun schon in der irischen Hauptstadt Dublin. Mein erster Job bei AOL hatte auch ein wenig mit Tech zu tun – wenn man die berüchtigten Freistunden-CDs als „Tech“ ansieht oder das Verbinden an die technische Hotline durchgehen lässt. Im Verlauf der kommenden zwölf Monate werde ich nun die „Tech-Insel“ aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten.
Nachdem der WebSummit seine Koffer gepackt und von Dublin nach Lissabon verschickt hat (wo der Start so erfolgreich war, dass die Koffer vorerst dort bleiben), fragten viele nach dem „neuen WebSummit“. Noch bevor jedoch einer der in diesem Zusammenhang meistgenannten Events, der Dublin Tech Summit, überhaupt die Chance hatte, sich darzustellen und zu beweisen, ist mir persönlich erst mal eine inflationäre Nutzung des Wortes „Summit“ aufgefallen. Einige, wie zum Beispiel der ‚Brexit Summit‘ (wegen der Bedrohung, die für Irland vom Brexit ausgeht) oder der ‚Talent Summit‘ (wegen der talentierten Arbeitskräfte, um die sich gerade die Tech-Firmen nur so prügeln), machen absolut Sinn. Wenn jedoch mit Altpapier erzeugenden, riesigen Anzeigen in Sonntags-Zeitungen zum ‚Waste Summit‘ gerufen wird, blättere ich rasch weiter.
Das ist ja wohl der Gipfel!
„Bye, bye, WebSummit – und was nun?“ fragten sich viele in der irischen Tech-Szene. Und während viele die Besetzung von Nischen wie Sports & Tech als richtige Antwort ansahen, beschlossen die Macher des Dublin Tech Summit, den entgegengesetzten Weg zu gehen und die Lücke eines globalen Tech-Gipfels zu füllen, die der WebSummit in Dublin hinterlassen hat.
Über zwei Tage hinweg strömten in der vergangenen Woche tausende von Delegierten ins Dublin Convention Centre, das am Hafen passenderweise direkt gegenüber des Tech-Viertels ‚Silicon Docks‘ gelegen ist, um sich entweder in der Expo Hall von Ausstellern über deren Technologien informieren zu lassen oder im Auditorium Vorträgen und Diskussionen zu lauschen. Das Fassungsvermögen des DCC beträgt „nur“ 10.000 Besucher. Nur? Der ‚WebSummit‘ hatte 50.000 Besucher, aber 10,000 ist nicht „nur“. 10.000 ist „genau richtig“. Da schließe ich mich DTS-CEO Noelle Reilly an, die schon im Vorfeld davon sprach, dass ihre eigenen Reisen zu verschiedenen Tech-Konferenzen weltweit sehr lehrreich gewesen seien. Ohne Namen zu nennen, spricht sie davon, dass sie sich hier und da verloren vorgekommen sei in den Massen. Ich glaube ja, dass eine der Reisen sehr kurz war und sie zum letzten Dubliner WebSummit geführt hat. Denn „verloren in den Massen“ war auch mein Eindruck.
Viele an sich interessante Diskussionen gingen dort zum Beispiel im Lärm unter, der von außerhalb der nicht schalldicht abgetrennten Sonderbereiche wie ‚IoT‘ oder ‚Medien‘ dem Publikum auf die Ohren und somit auch auf die Nerven ging. Beim DTS war das zum Glück ganz anders.
Auch was die Möglichkeiten anbetrifft, an Infoständen Gespräche mit Ausstellern zu führen, ist es natürlich bei 10.000 Besuchern einfacher als bei 30.000 oder gar 50.000. Und ja, liebe Verfechter der Legende, dass die Mega-Deals des WebSummit, bei denen Millionen an Investment gesichert wurden, eh am Abend im Pub gemacht werden – ihr habt Recht. Aber wenn ich einen potentiellen Investor nicht so laut anbrüllen muss, um ihn mir exklusiv für ein paar Biere zu sichern, dann ist das schon hilfreich, zumal das mit der Exklusivität eh relativ ist, wenn man brüllt, oder?
Ein „Höhepunkt“ (Achtung! Kalaueralarm!) am zweiten Tag war der Vortrag von Cindy Gallop, CEO von MakeLoveNotPorn, die ihrer Überzeugung Ausdruck verlieh, dass Sex-Tech die nächste Trilliarden-Industrie sein könnte und dass (das immer noch stark katholische!?) Irland der perfekte Standort für die Industrie sei: „Es kann sehr viel Geld verdient werden in diesem Bereich … wenn Frauen nur Ernst genommen werden.“
Die letzte Session des DTS war das Live Pitch Final des StartUp100 Programme. Zuvor hatten 100 Start-Ups aus aller Welt das zweitägige Programm aus Mentoring, Pitching und Networking durchlaufen. Zwei der Finalisten kamen aus Irland (Fillit & Flexiwage). Die Australier von Virtual Legal komplettierten das Finale. Als Sieger wurde am Ende Flexiwage aus Waterford gekrönt. Die FinTech-Solutions des Startups ermöglichen es Firmen, ihren Mitarbeitern flexible Gehaltsmodelle anzubieten, die sich den Bedürfnissen einzelner Mitarbeiter anpassen.
Das Fazit der Organisatoren war nach zwei Tagen durchaus positiv. DTS-CEO Noelle O’Reilly spricht von gutem Feedback nicht nur von Sprechern und Investoren, sondern gerade auch von Gästen. Man ist guter Dinge, dass DTS eine sich jährlich wiederholende Tech-Konferenz werden wird. Bei der Formulierung des ersten Ziels für die kommenden Jahre kommt Noelle O’Reilly auch wieder auf die zu Anfang erwähnte Zahl von 10.000 Besuchern zurück: „Wir wollen besser werden statt größer.“ Dem stimme ich vollkommen zu. Besucher-Rekorde zu jagen wäre der Gipfel – der Dummheit.
Image (adapted) „Irland“ by Unsplash (CC0 Public Domain)
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