Von klein auf begegnen uns phantastische Geschichten von Helden, die sich mutig ins Abenteuer stürzen. Sie kämpfen gegen bedrohliche Mächte, übermächtige Zauberer und auch immer wieder gegen Monster. Doch was, wenn diese vermeintlich bösen Monster einfach nur missverstanden sind? Wenn sie eigentlich von Natur aus niemandem Schaden zufügen wollen, sich aber von der Gesellschaft, die sie vor langer Zeit abgestoßen hat, ausgegrenzt und verurteilt fühlen? Genau mit dieser Idee spielt das neue Point and Click Adventure The Wanderer: Frankenstein’s Creature, das wir für euch getestet haben.
Frankensteins Monster – gehasst und missverstanden
Der Name des Adventure Games lässt bereits vermuten, dass die Entwickler sich von Mary Shelley’s klassischem Roman Frankenstein inspirieren ließen. Somit spielen wir in The Wanderer: Frankenstein’s Creature ein ausgestoßenes Monster, das vom Design her ein wenig an einen Yeti erinnert. Wir wachen auf, ohne Erinnerung an unser vorheriges Leben oder ein Bewusstsein dafür, wer oder was wir sind. Es beginnt eine Reise durch eine Welt, in der wir schnell feststellen müssen, dass wir nirgends so recht erwünscht sind. Menschen haben Angst vor uns und wollen uns jagen, doch außerhalb der Dörfer, im dunklen Wald, warten nicht als Selbstzweifel und Einsamkeit auf uns. Gleichzeitig begegenen wir auch immer wieder Bezüge zu der, in der Epoche der Romantik wichtigen, metaphorischen Figur des Wanderers. Also des Entdeckers, der kein wirkliches Zuhause hat, aber ebne auch die Schönheit und Weite der Natur für sich genießt.
Unser Charakter ist zu Beginn noch naiv wie ein Kind und erfreut sich an der Schönheit der Natur und dem glücklichen Leben der Menschen, denen er begegnet. Doch als die Gesellschaft ihn verstößt und buchstäblich mit Mistgabeln zu jagen beginnt, versteht das Monster nicht recht, warum es nicht dazugehören darf. Es lernt mehr über die Menschen und versucht, sich ihnen anzupassen, doch muss es letztlich feststellen, dass es nie wie die anderen sein wird. Während des gesamten Spiels liegt ein besonderer Fokus auf der Einsamkeit, mit der unser Hauptcharakter umgehen muss. Unterstützt wird dieses Erlebnis durch die außergewöhnliche Spielatmosphäre und das beeindruckende Leveldesign.
Traum- und Gefühlswelten in The Wanderer: Frankenstein’s Creature
In The Wanderer: Frankenstein’s Creature durchstreifen wir traumhaft schöne Landschaften, die wie Gemälde gezeichnet aussehen. Unsere Umwelt reagiert auf uns und interagiert mit unseren Handlungen. Das buchstäblich malerische Leveldesgin wird von einem verträumten aber gleichzeitig hoch emotionalen Soundtrack begleitet, der mich beim Spielen des Öfteren so sehr mitgerissen hat, dass ich ihm einfach ein wenig lauschen wollte, statt direkt weiterzuspielen. Eine weitere Besonderheit ist, dass unsere Entscheidungen die Stimmung des Charakters beeinflussen und sich die Farbpalette des Levels dieser ebenfalls anpasst. Haben wir Angst, sind einsam oder verletzt, dann wirkt unsere Umwelt grau und eintönig. Wenn wir jedoch wütend oder überfordert sind, wirkt die sonst bunte Spielwelt laut und bedrohlich.
Insgesamt spielt sich The Wanderer: Frankenstein’s Creature sehr angenehm und flüssig, wobei gerade die Entscheidungen, die wir als Spieler während des Verlaufs der Story treffen können, uns vor viele Herausforderungen stellen. Diese haben nämlichen direkten Einfluss darauf, wie unsere Geschichte ausgehen wird. Wie reagieren wir darauf, von den anderen ausgestoßen zu werden? Und bringt es uns etwas, wenn wir versuchen ein „gutes Monster“ zu sein?
Behind The Scenes und Fazit
Das Game ist eine Gemeinschaftsproduktion von Arte und das französische Entwicklerstudio La Belle, was die teilweise merkwürdige Übersetzung erklären dürfte. Die meisten Sätze, die vom Protagonisten geäußert werden, muten wie ein Gedicht an, doch so mancher Satz scheint nicht ohne Probleme vom Französischen ins Deutsche übersetzt worden zu sein. Das Leveldesign beschreiben die Entwickler selbst als Anlehnung an Gemälde aus dem 19. Jahrhundert, mit einem Hauch von dunkler Romantik. Die Welt durch die sich unser Protagonist bewegt wirkt somit träumerisch und wunderschön, aber auch fremd und einschüchternd zugleich.
Darüber hinaus lassen sich in The Wanderer: Frankenstein’s Creature noch eine Reihe an kulturellen Anspielungen erkennen, die immer wieder auf die gleiche Frage abzielen: Wo kommen wir her? Wer hat uns geschaffen? Und vor allem: Wo ist unser Platz in dieser Welt?
Das Spiel kann auf jeden Fall mit dem Design, Soundtrack und der daraus entstehenden Atmosphäre überzeugen. Es entführt einen in die Welt des Monsters, dass eigentlich nichts will, als seinen Platz zu finden. Auch wenn ich zu Beginn die Befürchtung hatte, dieses Point and Click Adventure wäre nur ein weiteres dieser „langweiligen“ Picture-Games, hat mich The Wanderer: Frankenstein’s Creature auf jeder Ebene abgeholt und mitgerissen. Man sympathisiert sofort mit dem ausgestoßenen Wesen, das trotz seiner eigentlichen Unschuld mit solch starken Vorurteilen umgehen muss. Als Spieler wünscht man sich, dass es doch ein Happy End gibt. Man taucht völlig ab in diese romantisierte Welt. Damit ist das Game in meinen Augen auf jeden Fall eine würdige Neuinterpretation des Frankestein-Narrativ.
The Wanderer: Frankenstein’s Creature könnt ihr euch bei Steam oder für Android und iOS sowie die Switch holen.
Image by Arte
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