Transport Fever 2 im Test – Schöne Simulation mit Kanten

Gut 4 Milliarden Tonnen Güter und mehr als 12,5 Milliarden Fahrgäste werden jährlich mit Bussen, Bahnen, Schiffen und Flugzeugen befördert – allein in Deutschland. Viele Menschen sind fasziniert von Zügen oder Flugzeugen und kennen sich oft besser aus, als viele die diese beruflich fliegen und fahren. Im Transport Fever 2 Test dürfen wir vom Jahr 1850 an selbst ein riesiges Transportnetz aufbauen.

Transport Fever 2 ist dabei fast schon ein Veteran im Genre. 2014 veröffentlichte Indie-Entwickler Urban Games bereits das Spiel Train Fever, dass sich schnell eine treue und modfreudige Community erobert hat. Zwei Jahre später erschien dann die Fortsetzung Transport Fever. Unser Test verrät, ob sich auch die neueste Iteration der Wirtschaftssimulation lohnt. Haben Open Transport Tycoon oder der Industrie-Gigant ausgedient?

Am Anfang war die Karte

Da ich den Vorgänger zwar gekauft aber kaum gespielt habe, bin ich in der glücklichen Situation, das Spiel für den Transport Fever 2 Test sehr unvoreingenommen spielen zu können. Grundsätzlich unterscheidet sich Transport Fever 2 jedoch nicht übermäßig vom Vorgänger. Unser Spiel startet im Jahr 1850 (oder wahlweise später) und unsere Aufgabe ist es, Städte und Industrien mit Flugzeugen, Schiffen, LKWs, Bussen, Straßenbahnen, aber allem voran Zügen zu verbinden.

Vor dem Spiel legen wir neben dem Startjahr den Typ der Karte fest. Dafür stehen drei verschiedene Themen zur Wahl. Das gemäßigte Biom entspricht mit seinen Wäldern und Gebirgen am ehesten Europa. Wer es amerikanischer mag, erfreut sich dafür an einer Grand Canyon-artigen Karte. Als letztes gibt es noch ein tropisches Biom, dessen größere Wasserflächen auch den Schiffen eine Daseinsberechtigung bescheren.

Ebenso wählen wir die Größe der Karte aus und bestimmen die Anzahl von Städten und Industrien. Die Maps werden per Zufallscode generiert, lassen sich durch diesen Code aber auch teilen. Wer einen leistungsstarken Rechner hat, sollte am besten die experimentellen Kartengrößen aktivieren. Dazu müsst ihr die Settings.lua-Datei öffnen, die findet ihr in der Regel unter:

Program Files (x86) > Steam > userdata > (Your Steam ID) > 1066780 > Local

Dort ändert ihr den Eintrag experimental von „False“ in „True“. Am besten vorher eine Sicherheitskopie der Datei anlegen. Im Spiel stehen euch nun Maps bis zu einer Größe von 24km x 24km zur Wahl. Alternativ gibt’s aber auch erstmals einen Mapeditor. Mittlerweile sind auch schon einige Maps im Steam Workshop zu finden.

Auswahl habt ihr auch bei den Fahrzeugen. Der Fuhrpark von über 200 Fahrzeugen teilt sich in europäische, amerikanische und – neu in dieser Version – asiatische Fahrzeuge ein, zwischen denen ihr vor Spielstart wählt. Die asiatischen Fahrzeuge bestehen anfangs allerdings vor allem aus russischen Modellen. Später erfreuen wir uns jedoch am erste Shinkansen-Zug oder gegen Ende am chinesischen Fuxing Hao. 

Transport Fever 2 ist mehr Modellbahn als Simulation

Ähnlich wie bei der Echtzeitstrategie, hat auch das Transport-Genre seine größten Erfolge gefeiert. Transport Tycoon, der Industrie Gigant oder Railroad Tycoon werden auch heute noch mit Ehrfurcht genannt und sind in ihrer Komplexität bislang kaum einem anderen Genrevertreter erreicht worden. Mit Open Transport Tycoon gibt es zum erstgenannten Spiel sogar ein Open Source Remake, das ständig weiterentwickelt wird.

Um so viel vorweg zu nehmen: Auch Transport Fever 2 erreicht nicht die Spieltiefe der alten Genre-Eminenzen. Und das ist an sich nicht einmal schlimm. Das Spiel versprüht nämlich vor allem den Charme einer Modelleisenbahn und funktioniert auch ohne die großen Herausforderungen. Dabei ist der Anfang für Neulinge nicht zwingend leicht. Mit einem recht knappen Budget ausgestattet reicht das Geld anfänglich nur für 1-2 Bahnlinien. Um das Geld wieder einzufahren, befindet man sich dann erstmal viel in der schnellsten Geschwindigkeitsstufe.

Apropos Geschwindigkeit: Eines der tollsten Neuerungen im Transport Fever 2 Test ist die Trennung zwischen Spielgeschwindigkeit und Datumsgeschwindigkeit. Die Spielgeschwindigkeit lässt sich gewohnt über die Pfeilbuttons unten-rechts bestimmen und beschleunigt oder stoppt das ganze Spielgeschehen. Mit einem Klick aufs Datum dürfen wir erstmals aber auch einstellen, wie schnell das Datum voranschreitet. Wer sich gerade mit den Dampflokomotiven wohlfühlt kann das Fortschreiten der Zeit verlangsamen oder sogar stoppen. Intern altern die Loks trotzdem gleich schnell und auch an Gewinn und Kosten ändert sich nichts.

Einfache Wachstumsmechaniken im Transport Fever 2 Test

Stärke und Schwäche zugleich ist die Art und Weise, in der Industrien und Städte in Transport Fever 2 wachsen. Die sind nämlich auf der einen Seite recht einfach zu verstehen, auf der anderen Seite damit aber auch weniger komplex.

Bei den Industrien

Die Rohstofflieferanten leveln erst gar nicht auf, sondern produzieren bis zu 400 Einheiten (bzw. 200 bei den Farmen). Transportieren könnt ihr aber nur so viel, wie die nächste Verarbeitungsstufe bedarf. Zwischenprodukte haben dabei zwei Stufen (200/400), Endprodukte vier Stufen (100/200/300/400). Teils werden jedoch zwei Rohstoffe gebraucht, um ein neues Produkt zu erschaffen. Ist eine Produktionsstätte nahezu maximal ausgelastet und wird davon auch möglichst alles transportiert, steigt die Produktionsstätte auf.

Leider wirkt sich die unterschiedliche Komplexität der Produktionsketten nicht merklich auf den Ertrag aus. Hier hätte ich mir gewünscht, dass die aufwendigsten Endprodukte einen am Ende auch mit deutlich höheren Summen belohnen. Die Ertragsfaktoren sind stattdessen Strecke und Geschwindigkeit. Kurze Strecken lohnen sich damit allenfalls für die eigene Logistik. Stattdessen nimmt man aber oft lieber die entferntere Produktionsstätte, die deutlich höhere Erträge verspricht.

Bei Städten

Städte verfügen über eine Ausgangszahl an Einwohnern und mehreren Faktoren, welche diese prozentual wachsen lassen. Dazu gehören zwei Güter, mit denen die Stadtgröße jeweils um bis zu 100 Prozent erhöht werden kann. Allgemeine Straßenvernetzung und angebotene Reisemöglichkeiten in andere Städte beeinflussen das Wachstum ebenfalls positiv. Negativ fallen Wartezeiten und Emissionen in die Wertung ein.

Dass jede Stadt nur zwei fest vorgeschriebene Güter benötigt, sorgte zu Release bei vielen Spielern für Missmut. Mit dem jüngsten Update sind es anfangs zwei, später bis zu 6 Güter, nach der die Bevölkerung verlangt – die späteren Bedürfnisse sind dabei allerdings viel geringer. Dass die Primärbedürfnisse höher gewichtet sind, ergibt auch weiter Sinn. Denn nicht jede Ware lässt sich direkt in der Nähe der Stadt besorgen. So muss man schauen, woher man die Ware besorgt und wie man dabei mögliche Überschneidungen mit anderen Linien berücksichtigt. Auch muss man voraus im Blick haben, dass der Bedarf an Gütern mit der Größe der Stadt steigt. Deckt man mit einer Produktionsstätte anfangs locker drei Städte ab, reicht es später nur für eine einzige.

Etwas schade ist es, dass die Ausgangsbevölkerung die mögliche Größe der Stadt limitiert. Dabei dauert es selbst bei größeren Städten lange, bis sie so groß sind, dass eine einzelne Ringlinie für den innerstädtischen Verkehr nicht mehr ausreicht. Gerade als Cities Skylines-Veteran hatte ich da auf mehr Herausforderungen im Stadtverkehr gehofft. Ab 1950 habe ich dann aber doch meine ersten 1000-Seelen-Städte. Das ist bei der Skalierung in Transport Fever 2 schon viel. Mittlerweile lassen sich manche Wachstumsfaktoren zumindest wahlweise hochschrauben.

Die Ziele setzt sich jeder selbst

Transport Fever 2 ist trotz vieler Statistiken und Overlays für beispielsweise Emissionen, Streckenauslastungen und Gebäudenutzung nicht das schwierigste Spiel, sobald man die erste Phase überstanden hat. Zwar reißt eine Komplettmodernisierung der Fahrzeugflotte noch große Löcher in den Geldbeutel, aber irgendwann kippt das Spiel sehr abrupt aus dem Schuldenmodus in ein „Ich kann mir alles leisten was ich will“. 

Auch gibt es keine Konkurrenz, weder durch KI noch in Form eines Multiplayers. Das ist auf der einen Seite schade, aber auch in so fern gut, weil das Spiel zum einen auf den alleinigen Ausbau ausgelegt ist und wir uns zum anderen die Zeit nehmen können, den Ausbau des Transportnetzes nach eigenen Vorlieben voranzutreiben. Die Ziele sind jene, die wir uns selbst setzen – den Storymodus außen vor gelassen, der uns durch 18 Missionen durch drei Zeitalter des Transports führt.

Ob wir unser Netz erweitern, vorhandene Linien optimieren oder etwas Schönbau betreiben, liegt ganz allein an uns. Jederzeit das Fortschreiten des Datums anpassen zu können, passt wunderbar zu dieser Individualität. Ein Feature, dass unbedingt Genre-Standard werden sollte.

Und es machte im Transport Fever 2 Test auch Spaß zu sehen, wie sich die Städte entwickeln. Die Städte wachsen nicht nur, sondern werden mit der Zeit auch moderner. Kutschen werden bald durch die ersten Autos ersetzt, es entstehen Hochhäuser, modernere Straßen und Ampeln und irgendwann ist das beschauliche 1850-Idyll einer pulsierenden Großstadt gewichen. Busse bringen die Fahrgäste viel schneller von A nach B als anfangs noch die Fuhrwerke. Statt Dampflokomotiven fahren zwischen den wichtigsten Städten Hochgeschwindigkeitszüge und große Passagierflugzeuge fliegen von einem Ende der Karte zum anderen.

Es ist diese Entwicklung, die für mich den Reiz des Spiels ausmacht. Nur etwas schade, dass alle Settings die gleichen Gebäude verwenden. So sieht es auch in Städten die Tokyo oder Shenzhen benannt werden zu Beginn eher nach wildem Westen aus. Ein paar Pagodendächer hätten gut getan.

Ein größeres Schienennetz in Transport Fever 2
Ziele setzt man sich vor allem selbst. Manchmal entstehen da komplexe Schienennetze. Ob sie auch immer effektiv sind, ist die andere Frage.

Transport Fever 2-Updates werten das Spiel auf

Schon vor dem Transport Fever 2 Test war klar: Das Spiel hat bereits eine sehr treue Community. Entsprechend nah sind auch die Entwickler an ihren Spielern und verbessern das Spiel immer wieder durch kleine oder größere kostenlose Updates. Das Update im Mai 2022 hatte es dabei besonders in sich gehabt. Hinzu kamen nämlich mehr Einstellungsmöglichkeiten für den Schwierigkeitsgrad und das Wachstum der Städte. Letzteres lässt uns jeden Wachstumsfaktor von 0 bis 200 Prozent hoch oder runterschrauben. Auch können Städte mit der Zeit bis zu 6 Warenbedürfnisse entwickeln. Schließende oder neu entstehende Industrien wecken außerdem etwas Transport Tycoon-Feeling.

Auch im Spiel gibt es ein paar tolle Änderungen. Unabhängig der Stationen können wir jetzt außerdem auch Wegpunkte setzen, um die Route gezielter zu steuern. Für komplexere Schienennetzwerke nicht minder interessant: Neben der normalen Zuweisung eines Zielgleises im Bahnhof können wir jetzt auch alternative Gleise auswählen die angesteuert werden, wenn das Primärgleis besetzt ist. Wer, wie ich, für jede Transportroute eine abgetrenntes Gleisnetz hatte, hat jetzt neue Anreize, die Strecken zusammen zu führen. 

Für Modfreunde erlaubt das Mai-Update außerdem sich mehrere Sets an Mods anzulegen, sodass ihr beispielsweise für verschiedene Länder eure Fahrzeugmods gruppieren und nach Bedarf aktivieren könnt. Ein echt praktisches Feature, das die Nähe zu den Spielern beweist. 

Auch die größten Probleme zu Beginn sind mittlerweile beseitigt. Züge müssen nicht mehr erst ins Depot um sie zu verlängern, geklonte Züge starten zuverlässig im richtigen Depot und insgesamt läuft das Spiel auch etwas flotter. Hier und da ist das Spiel noch hakelig, wenn man herausfinden möchte, warum ein Zug nicht fahren kann und könnte gerade Anfängern auch besser erklären, warum etwa die neue Lok mit deutlich niedrigerer Geschwindigkeit so viel mehr Geld kostet. 

Mods in Transport Fever 2

Im Transport Fever 2 Test habe ich bereits die Nutzung von Mods angedeutet. Auch wenn nicht so extrem wie bei Genre-Kollege Cities Skylines, können Mods die Langzeiterfahrung von Transport Fever 2 deutlich aufwerten. Teils ändern diese Mods Spielelemente, zum größeren Teil fügen sie uns aber auch einfach neue Fahrzeuge oder Gebäude hinzu. 

Ich nutze beispielsweise eine Mod, die mir bei tropischen Karten neue Slider hinzufügt, die etwa eine komplette Umschließung mit Wasser garantieren oder die Wassermenge im „Innenland“ reduzieren. Um nicht zu viele Produktionsgebäude auf der Map zu haben, produzieren alle Gebäude bei mir dank einer Mod vier Mal so viele Rohstoffe / Produkte. Dank einer weiteren Mod haben meine Städte japanische Namen und passend dazu gehören etliche japanische Züge zu meinen abonnierten Objekten im Steam Workshop. 

Schönbauer könnte der Steam Workshop allein aber eventuell nicht ausreichen. Einige Sachen findet man nur auf entsprechenden Community-Seiten, die man aber schnell ausmachen kann. Auf die Spitze getrieben, kann Transport Fever 2 mit Mods, wie ein völlig anderes Spiel aussehen. So wird euer eigener Spielstand vermutlich nie auch nur ansatzweise so aussehen, wie in diesem Video:

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Fazit: Transport Fever 2 Test zeigt großes Potential

Transport Fever 2 ist nicht der neue Genre-Primus, den sich viele gewünscht haben. Dafür wurde zu wenig im Kern geändert und zu vieles vereinfacht. Clevere Neuerungen beißen sich außerdem mit weniger cleveren Problemen von Technik und Benutzerführung.

Dafür sieht Transport Fever 2 deutlich hübscher als sein Vorgänger aus und bietet noch mehr Möglichkeiten für Modder. Gerade solche Spiele strahlen vor allem in ihrer Langlebigkeit. Die Modding Community ist noch aktiver, als sie es bereits beim Vorgänger war und glättet damit bereits einige Schwächen des Spiels. Auch Urban Games selbst hat mit Updates viel optimiert und sogar einige neue Features kostenlos hinzugefügt.

Das Spiel kann einen regelrechten Sog entwickeln. Ich muss unbedingt noch diese eine Linie fertigstellen, davor noch eine Straßenbahn verlegen und eine alte Linie etwas verlagern, damit ich möglichst wenig Brücken bauen muss. Plötzlich ist es 5 Uhr morgens und ich muss die Modernisierung alter Linien auf den nächsten Tag verschieben.

Wie auch bei Cities Skylines, sollte man das Spiel auch auf YouTube im Auge behalten. Denn gerade mit steigender Anzahl Mods, gibt es bei Transport Fever 2 auch einige Schönbauer, die mit unglaublich viel Zeit und Können Städte und Strecken erschaffen, die uns Otto-Normalspielern nicht ohne weiteres gelingen.

Transport Fever 2 kaufen und Dampf geben (Provisionslink)


Beitragsbild by Urban Games, Screenshots by Stefan Reismann


Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: , , ,