Donald Trump und Twitter – es ist eine dieser Beziehungen, ohne die der US-Wahlkampf wohl ein anderer geworden wäre. Es verging kaum ein Tag, an dem sich der künftige US-Präsident mithilfe seiner beleidigenden und beleidigten Tweets nicht wieder in die Medienberichterstattung katapultiert hat. Der Kurznachrichtendienst ist nicht nur für Journalisten ein wichtiges soziales Netzwerk – am Wahltag äußerten sich die Menschen weltweit auf Twitter. Über 75 Millionen Tweets wurden im Laufe des 8. November bis zur Siegesrede von Trump abgesetzt.
Twitter ist aus der heutigen Zeit eigentlich nicht mehr wegzudenken und hat die Welt oft verändert, doch den Kurznachrichtendienst plagen derzeit ernsthafte wirtschaftliche Sorgen. Vor allem in den vergangenen Jahren zeigt der Trend für Twitter nur noch in eine Richtung: nach unten. Seit dem Börsengang Ende 2013 und dem Spitzenwert der Aktie einen Monat später, der bei 69 Dollar lag, sank der Wert des Papiers kontinuierlich: heute steht Twitter pro Aktie bei nur noch 18 Dollar. Hinzu kommt, dass die Umsätze von Twitter nicht mehr so schnell wachsen wie einst. Verbuchte die soziale Plattform im vergangenen Jahr noch ein Umsatzplus von 58 Prozent und im Frühjahr 2016 immerhin noch um die 20 Prozent, waren es im dritten Quartal nur noch 8 Prozent. Damit verzeichnete Twitter zwischen Juli und September das geringste Umsatzwachstum seit dem Börsengang.
Die zahlreichen Baustellen von Twitter
Weiterhin schreibt der Kurznachrichtendienst rote Zahlen – erst kürzlich entschied Twitter, den Videodienst Vine.co demnächst zu schließen. Da schwingt nicht nur der verlorene Kampf gegen Konkurrent Facebook im Video-Segment mit, sondern vor allem die große Sparkeule. Ende Oktober kamen 300 Entlassungen hinzu, im November wurde bekannt, dass Chief Operating Officier Adam Bain das Unternehmen verlassen wird. Laut der Financial Times war er der Kopf hinter dem Umsatzwachstum von Twitter.
Zwar sammelte das Unternehmen unter anderem beim Börsengang genug Geld ein, um noch bis Juni 2020 überstehen zu können, doch im Moment ist noch nicht wirklich klar, woher die Einnahmen eines Tages kommen sollen, um Twitter in absehbarer Zeit profitabel zu machen. In letzter Zeit versucht sich der Dienst auch zunehmend zu diversifizieren – beispielsweise mithilfe des Livestreamings einiger NFL-Spiele, das vor allem neue User anlocken soll. Denn das Nutzerwachstum ist eines der Kernprobleme von Twitter: in den USA stagnieren die Zahlen schon länger, während die weltweiten Wachstumsraten überschaubar sind. Seit Mitte 2015 stieg die Zahl monatlich aktiver User nur um drei Prozent. 317 Millionen Nutzer hat Twitter laut eigener Angabe derzeit, in Deutschland ist die soziale Plattform weiterhin ein Nischenphänomen.
Einnahmenquelle Nummer eins: Werbung
So ambitioniert die Suche nach alternativen Einnahmequellen auch sein mag: das Gros des Umsatzes macht Twitter immer noch mit Werbung. 89 Prozent nach aktuellem Stand – das entsprach im dritten Quartal 545 Millionen US-Dollar. Und genau in diesem Kernbereich des Geschäftsmodells irritierte der Kurznachrichtendienst im November viele User im deutschsprachigen Raum. Dubiose gesponserte Tweets sexueller Natur wurden in den Timelines vieler Nutzer angezeigt – mehrmals. Eigentlich verbietet Twitter solche Werbeanzeigen in seinen Richtlinien, doch hier scheint vieles durch das Kontrollnetz von Twitter geschlüpft zu sein. Auf eine Anfrage diesbezüglich reagierte das Unternehmen bisher nicht.
Letztendlich überraschen die zahlreichen aufgekommenen Übernahme-Gerüchte also kaum. Mehrere Unternehmen wie Cloud-Anbieter Salesforce oder Medien-Riese Disney sollen schon Interesse an Twitter bekundet haben, sind aber durch die Bank weg abgesprungen. Zweiterer soll sich vor allem an einer weiteren Twitter-Baustelle gestoßen haben: Hatespeech. Twitter zeichnete sich in den vergangenen Jahren nicht durch besonders engagiertes Vorgehen gegen Hass und Trolle aus, hat aber mittlerweile eine neue Leitlinie ausgegeben. Seit kurzem ermöglicht Twitter das Stummschalten bestimmter Schlüsselwörter in den Benachrichtigungen und man führte eine neue Melde-Kategorie ein, mit deren Hilfe Diffamierungen bezüglich Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Religion gezielter benannt werden können. Solche Maßnahmen werden das Problem nicht grundsätzlich lösen können, sind zumindest aber ein Schritt in die richtige Richtung.
Sprengt die Fesseln der Wall Street
Aber nicht nur börsennotierte Unternehmen sind an der Übernahme von Twitter interessiert. Zuletzt formierte sich eine kleine Initiative unter den Hashtags #WeAreTwitter und #WeBuyTwitter, die die „Fesseln der Wall Street“ sprengen möchte. Die Idee, angestoßen von Guardian-Autor Nathan Schneider: die Nutzer kaufen Twitter und überführen es in ein genossenschaftliches Modell, um das soziale Netzwerk von seinen wirtschaftlichen Zwängen zu befreien.
Diese Vorstellung ist zwar eine schöne Utopie, aber wohl unrealistisch. Denn die Zukunft des Kurznachrichtendienstes steht auf wackeligen Füßen – und bisher hat sich noch keine Perspektive aufgetan. Solche Initiativen zeigen aber vor allem eines: viele Menschen wollen Twitter und dessen Grundidee nicht missen, ein Scheitern wäre ein großer Verlust. Denn wo sonst sollte Donald Trump dann seine Kritiker beleidigen?
Image „Twitter“ by WDnetStudio (CC0 Public Domain)
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Schlagwörter: börse, Donald Trump, hatespeech, Twitter, unabhängigkeit, zukunft
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Die sozialen Netzwerke sollen nicht mit Werbebannern verdienen, die die User nur nerven, sondern Gebühre für die Unternehmen einführen, die ihre Profile soweit kostenlos anlegen dürfen.