Beständig manipulieren wir unsere Bilder und unser Leben. Die Photoshop-Realität beschränkt sich nicht nur auf Plakatwände wie die Sängerin Boggie in einem Video zeigt. Herzogin Kate hat ihn. Scarlett Johansson sowieso. Aber auch das Gelegenheitsmodel aus der Nachbarschaft. Einen schlanken Hochglanzzwilling aus dem Photoshop-Brutkasten, der mitunter leicht deformiert sein lebendiges Ebenbild in den Medien repräsentiert. Und auch unsere Bewegtbilder werden fröhlich bearbeitet. Die ungarischen Sängerin Boggie zeigt dies eindrucksvoll in ihrem Musikvideo „Parfüm”, in dem sie sich lebendig, bewegt und singend der Pixel-Operation unterzieht.
Wenn die Brüste all zu groß, die Hüften zu dünn oder die Falten zu Botox-glatt geraten sind, dann beschweren sich Stars wie Keira Knightley, Brad Pitt und sogar Kim Kardashian gerne auch einmal öffentlich über die überdrehte Bildbearbeitung. Nur unwesentlich dezentere Manipulationen werden allerdings gerne und stillschweigend hingenommen. Und auch „normale” Nutzer greifen für ihre Repräsentation auf Facebook oder Instagram gerne zu digitalem Stempel und Pinsel. Was jedoch nicht weniger heftige Diskussionen als bei der A-Prominenz auslösen kann.
So weit, so gehabt. Die populären Vorher-Nachher-Videoanalysen oder How-to-Tuturials kennt fast jeder. Gerne vergessen wird aber, dass die Retusche auch vor dem Film und Musikvideos nicht halt macht – und zwar nicht nur was Kontraste und Farben betrifft. Für ihr Video zu „Parfüm” hat Boggie allerdings die Post-Production vorverlegt. Die Jazz-Sängerin heißt mit bürgerlichem Namen Csemer Boglárka und besitzt eine klassische Ausbildung im Gesang und am Klavier. Auf ihrem ersten Album, das ebenfalls „Boggie” betitelt wurde, singt sie sowohl auf Ungarisch als auf Französisch. „Parfüm” gibt es somit auch als „Noveau Parfum” zu hören. Letztere Version kritisiert etwa das klassische Duft-Marketing mit all seinen vermeintlich identitätsstiftenden Idealtypen.
Das Video nimmt diesen Faden auf: Boggie steht in einem schlecht beleuchteten Raum, ungeschminkt, leicht zerzaust und übermüdet. Die einzige Maske hier ist die eines auf dem Bild liegenden Programms. Und während Boggie zu singen beginnt, werden zuerst per Mausklick Hals und Haar gerichtet, die Haut aufgehellt und das weniger hübsche, linke Auge durch eine Spiegelung seines rechten Nachbarns ersetzt. Es folgen eine visuelle Haarverlägerung, Lippenstift und Kajal.
Realisiert wurde das Musikvideo von einem großen Team rund um die beiden Regisseure Nándor L?rincz und Bálint Nagy. Insgesamt waren 14 Personen an der Produktion beteiligt, davon allein sechs VFX-Künstler (die für die visuellen Effekte verantwortlich waren) bei der Postproduktionsfirma Studiolamb. Dadurch, dass Boggie eben kein Standbild bleibt, sondern sich bewegt, lebt, erhält das Video seinen eindringlichen Charakter. Es verdeutlicht, dass hier nicht bloß ein Bild „optimiert”, sondern vor allem die Vorstellung vom menschlichen Leben umgemodelt wird. Wir alle sind medial umgeben von menschlichen Abbildern, deren Perfektion wir niemals erreichen können. Beim Blick in den Spiegel schon gar nicht.
Zwar mussten Boggie und ihr Team für „Parfüm” doch noch etwas „tricksen”, denn den visuellen Effekten wurde auch mit klassischem Make-up und Frisieren nachgeholfen, ein Trost ist das keineswegs. Eher eine Frage der Zeit. Dass Boggie für ihre eigenen Promofotos und das „Boggie”-Albumcover weiterhin digital nicht unwesentlich bearbeitete Aufnahmen verwendet, passt, wenn man alles zu Ende denkt, eigentlich auch nur ins „Bild“.
Image (adapted) “Sophie…….“ by justDONQUE.images (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: bild, Boggie, Foto, Musik, photoshop, Realität