Berichte, Empfehlungen und Meinungen geben uns Sicherheit, wenn wir das Internet durchstöbern und auf der Suche nach einem Produkt, einem neuen Lokal oder einem Urlaub sind. Das rasante Wachstum von Web 2.0-Anwendungen stärkte die Interaktion von Benutzern und beeinflusste die Art und Weise, wie Benutzer Informationen erschaffen und austauschen.
Es gibt heute eine riesige Menge an Inhalten, die von Benutzern erschaffen wurden und welche Produkt- und Serviceerfahrungen online mit Hilfe einer großen Vielzahl an Seiten teilen. Diese Sichtweisen können uns sehr stark beeinflussen und uns dazu animieren, auf „Kaufen“ zu klicken – oder einfach weiter zu stöbern. Aber diese Entscheidungen werden in zunehmendem Maße auf einer unsicheren Grundlage getroffen.
Mehrere akademische Studien haben die Bedeutung der von Benutzern geschaffenen Inhalten in Bezug auf die positive Beeinflussung von Kunden hinsichtlich Produktinformation und Kaufentscheidungen festgestellt. Online-Bewertungen und -Beurteilungen reduzieren die Unsicherheit für zukünftige Kunden. Und die Leute glauben diesen Bewertungen. Die Forschungsplattform Nielsen stellte fest, dass zwei Drittel der Kunden den Online-Meinungen vertrauen.
Es ist dementsprechend keine Überraschung, dass Händler, Vermarkter, Firmen, die im Renomee-Management tätig sind sowie kommerzielle Bewertungsanbieter offensiv darin verwickelt sind, diese ökonomischen Vorteile auszunutzen – Forschungen legten zum Beispiel nahe, dass eine um einen Stern höhere Gesamtbewertung eines Hotels auf Travelocity in um 11 Prozent höheren Zimmerpreisen resultieren.
Vortäuschung einer spontanen Graswurzelbewegung
Deshalb gehen viele Geschäftsleute dazu über, falsche Bewertungen zu erstellen, um ihr eigenes Ansehen zu steigern oder sogar, um Konkurrenten zu attackieren. Tatsächlich suggerieren Beweise, dass falsche Bewertungen – also jene, die die wahre Meinung des Autors nicht wahrheitsgemäß widerspiegeln – zunehmen. Eine verbreitete Form hiervon ist die Vortäuschung einer spontanen Graswurzelbewegung – hierbei werden Menschen dafür bezahlt, falsche Bewertungen für ein Produkt zu liefern, um dieses populärer zu machen.
Unechte Online-Bewertungen führen die Konsumenten nicht nur in die Irre. Sie durchbrechen auch die Rechte von Konsumenten und untergraben die Markteffizienz. Die existierenden Gesetze und Richtlinien zum Schutz von Konsumenten sowie die Gesetze der Firmen versuchen, die täuschenden Bewertungen zu regulieren, indem diese als eine Form von falschen Kundeninformationen eingestuft werden. Die Behörde für Wettbewerb und Marktgewalt begann im Jahr 2015 eine Untersuchung, die falsche Kommentare auf Bewertungsseiten, unveröffentlichte negative Bewertungen und finanzielle Unterstützungen von Geschäftsleuten ohne entsprechende öffentliche Bekanntgabe betrachtete. Die Behörde teilte mit, dass „Vermutungen bestünden, dass manche Praktiken nicht rechtens seien“.
In jüngerer Zeit fand man heraus, dass der Kleidungshändler Wool Overs sich die besten seiner erhaltenen Bewertungen für die eigene Webseite herauspickte. Die Firma hat dem Regulator seither mitgeteilt, dass sie in Zukunft „sämtliche authentischen, relevanten und gesetzlich erlaubten Kundenbewertungen auf ihrer Webseite“veröffentlichen werden und „unerwünschte Kommentare nicht zurückhalten“ werden.
Der Aufgabenbereich der Werbestandard-Behörde wurde ebenso erweitert und beinhaltet nun die Marketing-Kommunikation von Firmen-Webseiten und anderer kostenloser Onlineportale. Es reguliert nun sogenannte „Referenzen“ oder Benutzer-Bewertungen, welche von den Wettbewerbern einen Authentizitätsnachweis erfordern. Die föderale US-amerikanische Handelskommission versucht zudem aktiv, ihre im Jahr 2009 festgesetzten Regulationen durchzusetzen, beispielsweise indem kürzlich eine erste Beschwerde gegen eine Firma (Roca Labs in 2015) vorgebracht wurde, da diese ihre Kunden davon abbringen würden, ihr negatives Feedback online publik zu machen. Wahrscheinlich motiviert durch eine veränderte Regulations-Landschaft, begann Amazon, rechtlich vorzugehen, indem man im Herbst 2015 insgesamt 1114 Menschen beschuldigte, „falsche, unauthentische und irreführende“ Bewertungen zu liefern, welche das Ansehen der Marke trüben. Und im Jahr 2016 hat das Unternehmen erneut dasselbe getan.
Die zornigen Beschwerden
Aber wie können Firmen darauf reagieren, wenn Leute durch die sozialen Medien dazu ermutigt werden, ihre Beschwerden zu weit zu treiben? Erste Strategien werden nun bereits durch Firmen, die ebensolche Aktionen unternehmen wollen, um die schadenden Kommentare ihrer Kunden zu kontrollieren, unternommen. Kürzlich versuchte der britische Fußballverein Charlton Athletic einen Verhaltensvertrag für einen ihrer Saisonticket-Besitzer durchzusetzen aufgrund von „gewissen Kommentaren, die nicht sonderlich konstruktiv waren“ – eine diplomatische Legalisierung, nachdem der Verein auf Twitter schlechtgeredet wurde. Natürlich können unangemessene Kommentare von Firmenseiten auf Facebook gelöscht werden, aber auf Twitter ist dies nicht möglich.
Der Entwickler neuer Durchbruch-Technologien, Elon Musk, stornierte eine Vorbestellung eines Kunden für das Tesla Model X, nachdem ein offener Brief die Markteinführung des Produkts durch die Firma kritisiert hatte. Musk fühlte sich Berichten zufolge „nicht wohl“ damit, dass diesem besonders verärgerten, aber dennoch ehrgeizigem Kunden erlaubt werden sollte, einen Luxusgegenstand wie einen Tesla zu besitzen.
So geht es innovativen elektrischen Superautos zu jede Menge Zitruswasser: Ein Kunde, der online eine gereizte Bewertung hinterließ, nachdem ihm zwei Pfund für ein einfaches heißes Getränk berechnet wurden, erhielt eine demütigende Antwort von einem Yorker Café, das seine Fixkosten detailliert auflistete.
Aber selbstverständlich gibt es auch andere Herangehensweisen. Die unbeschwert-fröhliche kanadische Airline WestJet behauptet, dass sämtliches Feedback und jegliche konstruktive Kritik willkommen ist und erhält einen konstanten Schwall an Beschwerden, einschließlich Missbrauchsvorwürfen und Schimpfworten. Als ein früher Befürworter der 24/7 sozialen Medien-Unterstützung erlaubt die Airline ihren Kunden, ein wenig zu schimpfen.
Es ist dennoch nicht immer die Schuld des unzufriedenen Kunden, denn manchmal gehen die Vertreter der Firmen zu weit. Wütende Manger des Bostoner Restaurants Pigalle haben möglicherweise überreagiert, als sie einen Kunden auf Facebook mit einem vulgären Schimpfwort bedacht haben, nachdem dieser sich über ein Kürbiskuchen-Dessert beschwert hatte, das nach seinen Angaben „zum Kotzen“ schmeckte.
Die Plattformen sozialer Medien, wie zum Beispiel Twitter, werden zunehmend dafür bekannt, dass sie ihre Nutzer regulieren. In Hinblick auf die Verwaltung ihrer Mitglieder wurden sie geschickter, auch wenn das Sperren von Benutzerkonten eine Seltenheit ist.
Mit der Zunahme von automatisierten Stimmungs-Analysen der Produkte sozialer Medien und einem zunehmenden unternehmerischen Fokus auf das Management des Online-Renomees scheint es, dass mehr Firmen selbstsicher diejenigen Kunden bestrafen, die es zu weit treiben. Das Beispiel des Charltoner Sportvereins dürfte eventuell einen flüchtigen Blick in die Zukunft ermöglichen. Man sollte nicht überrascht sein, wenn die Anforderungen für das Verhalten bei der Nutzung sozialer Medien in unseren Geschäftsbedingungen auftauchen. Werden die Treuepunkte nächstes Jahr an einen bindenden Verhaltensvertrag für den Kunden geknüpft sein?
Dieser Artikel erschien zuerst auf „The Conversation“ unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Image „Awesomemac“ by Medetrate (CC BY 3.0)
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