Mit der Ankunft von Amy O’Leary von der New York Times begann Upworthy die Produktion von Content durch Nutzerdaten voranzubringen. // von Joseph Lichterman
Die Witze, die Eric March in seinem Artikel “Fünf unglaublich gute chinesische Restaurantketten, in denen Sie niemals essen sollten und eine, in der sie es sollten, aber nicht können“ macht, sind unerbittlich.
Obwohl Fastfood schlecht für uns ist, schreibt March, dass Angebote wie der Chick-Fil-A (ein Sandwich mit Hüherfleisch) besser sein soll als “die Pyramiden, die Magna Carta, die Apollo-Missionen, Play Station 4, die diesjährige Staffel der Bachelorette.“ Das Essen ist tatsächlich sehr lecker, und dennoch behandeln viele dieser Unternehmen ihre Mitarbeiter ziemlich schlecht, hält March vor. Sie arbeiten gegen Richtlinien an, die ihnen helfen könnten und “so tun, als wären sie unsere Freunde, aber in der Wirklichkeit zerreißen sie sich hinter unserem Rücken das Maul darüber, dass wir vielleicht ein komisch geformtes Gesicht haben, oder sonst etwas.“
Und es geht immer so weiter. March reißt insgesamt 65 Witze in seinem Artikel, der 5000 Worte zählt, erklärt mir Amy O‘ Leary, und das mit purer Absicht.
Upworthy hat sich seit seiner Gründung von seinen ursprünglichen Zielen als Facebook-getriebenes Clickbait-Unternehmen fortbewegt und will nun zu einem Unternehmen werden, bei dem immer mehr eigene Artikel und Videos produziert werden.
Das Unternehmen hat einen Bericht veröffentlicht, bei dem es seinen datenzentrierten Ansatz beim Storytelling erläutert. Zusätzlich wurden eigene Stücke herausgestellt, wie eben die Besprechung von March, die laut Upworthy die neue Strategie verkörpern sollen.
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Indem Upworthy die gesammelten Nutzerdaten einbringt, fand man heraus, dass auch Elemente wie Humor und eine Artikelstruktur, die einen Spannungsbogen aufbaut, die Leser in den Artikel hineinzieht, sie auf der Seite bleiben lässt und sie sich angesprochen fühlen. Seit der Artikel am 25. Juni online gestellt wurde, kamen schon über zwei Millionen Besucher vorbei.
“Wenn ich Ihnen sagen könnte: ‚Hey, ich habe einen Artikel über 5000 Zeichen, und es geht um die Lohnsituation eines Fastfood-Mitarbeiters‘, würde das nur wenige Leute interessieren“, sagt O’Leary. “Ich weiß aber, wie ich den Artikel so einbauen kann, dass es zunächst darum geht, über das beste Fast Food zu sprechen, und dass es okay ist, dass wir darüber sprechen, denn vieles davon ist verdammt lecker. Und wenn wir dann in einer einladenden, offenen und verständnisvollen Weise darüber sprechen, dass es ein ethisches Dilemma sein kann, sein Hühnchensandwich genießen zu wollen – dann, glaube ich, erreicht man die Menschen auf einer anderen Ebene. Der Ansatz beinhaltet, eine gewisse Offenheit zu haben, und keine Vorurteile.“
Here’s a fun & hard-hitting piece on which fast-food chains are naughty and which are nice. https://t.co/tNpOHA3IcX @eriqmarch
— Steven Greenhouse (@greenhousenyt) 6. Juli 2015
Heutzutage sind Daten das eigentliche Herz von allem, sagt O’Leary. Upworthy betrachtet das von der redaktionellen Seite. Die Mitarbeiter arbeiten daran, um zu verstehen, wie Gefühle die Nutzer dazu bringen, einen Artikel zu lesen, was die Menschen dazu bewegt, um den Content herum, den sie als wichtig erachten, in Aktion zu treten, und was vielleicht die beste Art sein könnte, seine Artikel aufzubauen und die Vorteile der verschiedenen Plattformen zu nutzen. Upworty nutzt seine Inforamtionen mit “ein bißchen geheimer Spezialsauce“, sagt O’Leary. Generell aber kann gesagt werden, dass man bei Upworthy nach “positiven Signalen aus unserem Publikum sucht.“
Im Februar 2014 gab Upworty bekannt, dass eine neue Berechnungsgrundlage eingeführt werde. Sie nennt sich “attention minutes“, denn in erster Linie sollte damit der Erfolg der Artikel gemessen werden. Die Verweildauer, sagt O’Leary, ist noch immer eines der wichtigsten Messungen, mit denen Upworty seinen Content misst. Sie sagt aber auch, dass dies nur ein Teil der Formel ist, um ein dreidimensionales Bild des Nutzerverhaltens zu erlangen.
“Es gibt den Augenblick, in dem der Leser entscheidet, ob er den Artikel lesen möchte oder nicht“, sagt O’Leary. “Ich glaube, das ist ein sehr interessantes narratives Moment. Es ist nicht einfach eine Information wie ‚durchschnittlich benötigen die Leute 30 -90 Sekunden, um diesen Artikel zu lesen‘, sondern man kann nun wirklich nachvollziehen, wenn die Leute sich dazu entscheiden, bei Ihnen zu bleiben. Der Artikel muss ihren Erwartungen entsprechen, sie auf irgend eine Art aufklären oder ihnen das bieten, wonach sie suchen.“
Bei dem Fast-Food-Artikel verhielt es sich beispielsweise so, dass Upworthy bereits sagen konnte, dass der Artikel ein Erfolg werden würde, noch bevor er auf den sozialen Netzwerken verbreitet wurde. Man konnte bereits sehen, dass die ersten Lesern der Text gefiel und sie ihn bis zum Ede durchlasen.
O’Leary veranstaltet wöchentliche Treffen mit dem Redaktionsteam von Upworthy. Hier gehen sie die Abmessungen jedes Artikels, der von Upworthy publiziert wird, zusammen durch. So verstehen sie, wieso ein bestimmter Artikel oder ein Video gut lief und wieso das bei einem anderen nicht der Fall war. Bei den Artikeln, die nicht auf so große Zustimmung gestoßen sind, versucht Upworthy die Daten aufzubereiten, um dies nachvollziehen zu können.
“Bei manchen Artikeln, die weniger erfolgreich waren, können wir das nur noch im Nachhinein tun. Wir sehen, wo wir unsere Leser verloren haben. An diesem und jenem lag es, deshalb sind sie fortgetrieben worden“, sagt Upworty-Mitbegründer und CEO Eli Pariser. “Für mich ist das nur eine neue Art, ein sehr altes Problem zu lösen. Das soll heißen, man erzählt eine Geschichte am Lagerfeuer und jemand geht zu einem anderen Lagerfeuer, weil er deine Geschichte schlichtweg uninteressant findet.“
Leser zu verlieren, wurde langsam ein Problem. Der Traffic von Upworthy ist laut Angaben von Quantcast seit dem Höchstand von 88 Millionen Einzelbesuchern im November 2013 gesunken. Im Januar 2014 fielen die Zahlen sogar auf 49 Millionen Besucher ab. Seitdem gingen sie immer weiter zurück. Im Juni waren es sogar nur noch 19,8 Millionen Besucher.
Dieser Abfall hat wurde zudem der Tatsache zugeschrieben, dass Facebook, mit denen das Unternehmen zusammenarbeitete, seinen Newsfeed-Algorithmus und die neugierig machenden Überschriften umgestellt und verkleinert hat. Im März entschuldigte sich Mitbegründer Peter Koechley für die klickgenerierenden Überschriften, für die das Unternehmen bekannt geworden war: “Wir haben ein Monster freigelassen. Das tut uns Leid.“ Koechley sagte dies in einer Rede beim Changing Media Summit des Guardian an.
Neben dem Ärger mit Facebook und der Abschaffung der Clickbait-Überschriften sind bestimmte Plattformen – hier ist auch wieder Facebook an erster Stelle gemeint – noch immer die wichtigsten Verbreiter von Upworthy. Die Seite, so Pariser, ist eher an hochqualifizierten Inhalten interessiert als daran, den Algorithmus zu verspielen.
“Die Gefahr dabei ist, dass der Algorithmus sich so rasch ändern kann wie das Wetter“, sagte er zu mir. “Man kann entweder einen Cargo-Kult begründen, mit dessen Hilfe man zu dekonstruieren versucht, was das Wetter ausmacht, oder man sagt sich, dass man sich nur auf die Arbeit konzentriert und gute Inhalte produzieren will, und sich darauf verlässt, dass die Plattformen diese Signale auch verstehen werden.“
Auch wenn Upworthy nun zu eigenem Content wechselt, wird doch die Gruppierung, oder Pflege, wie man es jetzt lieber nennt, noch immer ein Teil der redaktionellen Strategie. Upworthy arbeitet mit Produzenten von außerhalb, die ihre Artikel lizensieren, um sie auf Upworthy und in den sozialen Medien herumzureichen. “Wir wollen unserem Publikum die besten Artikel liefern, die wir kriegen können“, sagt Pariser. Er vergleicht dabei seine Strategie mit dem Ansatz von Netflix, die sowohl eigene Serien als auch fremde Inhalte wie Kinofilme und Fernsehshows anbieten.
Upworthy hat sich kein Ziel gesetzt, wie viel eigene Inhalte hier verteilt werden sollen. O’Leary meint, es müsse eine “gesunde Mischung“ jedes Genres sein. Sie treibt die Umwandlung weiter voran.
Eines der ersten Dinge, die O’Leary unternahm, als sie zu dem Unternehmen kam, war, die Position des “Kurators“ abzuschaffen. Die redaktionellen Mitarbeiter waren von nun an “Schreiber“, und die Mannschaft wurde mehr als einmal durchmischt. Einige wurde entlassen, andere eingestellt, je nachdem, wie gut sie in die neue Ausrichtung der Seite hineinpassten.
In den Redaktionen hat sich viel verändert, doch auch geschäftlich gab es viel zu lernen. Man konzentrierte sich auf Werbekampagnen, die die Attitüde des Magazins, Gutes zu tun, wiederspiegeln sollten. Im April 2014 veröffentlichte Upworthy ein Projekt, dass mit Markenunterstützung Content liefern sollte. Im vergangenen Jahr nahm man durch die Zusammenarbeit mit Unilever und Starbucks rund eine Million US-Dollar ein.
“Sicherlich gibt es Fälle, in denen diese Einblicke und Lerneffekte sehr nützlich für unser Businessteam sein können, vor allem wenn es darum geht, mit Partnerfirmen zusammenzuarbeiten“, sagt O’Leary. “Wir lernen permanent dazu, und wir profitieren nicht nur selbst davon, sondern leiten dies auch an die geschäftliche Ebene weiter.“
Auf redaktioneller Seite plant Upworthy nun, mit neuen Storyformaten weiter zu experimentieren. Im vergangenen Monat wurden 73 Prozent des Traffics von Smartphones und Tablets gemessen, sagt Pariser. O’Leary fügt hinzu, dass noch immer niemand herausgefunden hat, was am Besten auf den Mobilgeräten funktioniert. “Wir wissen noch nicht, welches Format sich durchsetzen wird“, sagt O’Leary, und fügt hinzu, dass Upworthy mit seinem Fokus auf Soziales, gerade “faszinierende und experimentelle Formate“ ausprobiert. “Wir fangen gerade erst mit der Umstellung an und ich hoffe, Sie behalten uns im Auge, um zu sehen, wie es sich entwickelt“ sagt O’Leary. “Das solte kein Wortspiel auf die alten Überschriften sein! Mir ist gerade aufgefallen, dass ich gerade einen schlimmen Wortwitz auf Kosten unserer Überschriften gemacht habe, und das war keine Absicht.“
Dieser Artikel erschien zuerst auf NiemanLab. Übersetzung von Anne Jerratsch.
Teaser & Image by Upworthy
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Schlagwörter: Amy O'Leary, Attention Minutes, content, curation, Kuration, Medienwandel, Upworthy
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