Fast alle Radiostationen verwerten inzwischen ihre Beiträge zwei Mal: im Radio und anschließend noch als Podcast. Zweitverwertungspodcasts also, die nur Interviews, Reportagen, Artikel etc.pp. bieten, die schon im Programm liefen. Die Frage ist: Was bedeutet das für Radiostationen, wenn die Nutzer per Podcast alles immer überall hören können?
“Beiträge nochmal online stellen? Dadurch nehme ich mir doch selbst die Hörer weg.” – Tatsächlich: Warum sollte man das Radio zu einer bestimmten Uhrzeit einschalten, wenn die Inhalte jederzeit online zur Verfügung stehen? Nun, vielleicht einfach, weil man die Musik mag oder die Livesendungen gut findet. Und gerade kleine Stationen mit begrenztem Programm sollten sich fragen: Warum nicht Podcasts als ergänzendes Medium mit exklusiven Beiträge nutzen? Schließlich eignen sich Podcasts hervorragend als Marketinginstrument: Man bietet Hörern neue Inhalte mit Mehrwert, zum Beispiel indem man sie hinter die Kulissen des Radios blicken lässt. Ich finde es immer noch spannend zu erfahren, wie eine Sendung beim Radio produziert wird. “Was mit Medien“ etwa hat den Videopodcast, und wo die Jungs bei “Radio Kiepenkerl“ in Dülmen sind, da ist es amüsant und spannend zugleich. Und schließlich nutzen beide Medien denselben Kanal: Die Ohren. Radiowerbung funktioniert auch als als Podcasting-Datei.
Aber auch Zweitverwertungspodcasts haben durchaus ihre Existenzberechtigung – kommen sie doch dem fragmentiertem Medienkonsum unserer Zeit entgegen: Jeder ist sein eigener Programmchef. Allein bei Youtube kann ich mir stundenlang mein eigenes Fernsehprogramm zusammenstellen und in den Staaten stellen die Sender auch vermehrt Streamingangebote ins Netz.
Und führt das zu Hörerschwund, weil diese das Radio nicht mehr einschalten sondern nur noch Podcasts hören? Womöglich. Irgendwo muss der derbe Hörerschwund, mit dem die Radios in den letzten Jahren leben müssen, ja seine Ursache haben. Aber Podcasts allein sind es sicher nicht. Vielleicht haben eben immer weniger Menschen Spaß am Einheitsbrei der formatierten Radiolandschaft. Vielleicht gewinnt man aber durch das Bereitstellen von Serviceleistungen, die die Generation Ipod – unschönes Wort, aber es stimmt ja irgendwie – erwartet, gerade jene Zielgruppe junger Hörer, die den Radios doch allgemein flöten geht. Vielleicht hat man gerade durch Podcasts den Sendernamen im Ohr, verbindet etwas damit, kurz: wird neugierig auf das Angebot des Radiosenders.
Die Frage sollte ja ohnehin nicht sein, ob Zweitverwertungspodcasts Gefahr oder Chance fürs Radio sind. Die Frage ist doch, ob Hörer nicht immer dringender eine Filterfunktion brauchen, die Podcasts erfüllen können. Und dass man sich nichts vergibt, wenn man Inhalte verschenkt, sollte vielleicht allmählich durchgedrungen sein.
Skeptiker wird´s immer geben und Podcasting ist nicht für jeden Etwas – ebensowenig wie das Bloggen an sich. Interessant ist aber die Gegenbewegung, die es ab und an schon zu beobachten gibt: Da finden Podcasts den Weg zurück in Radio. Es wird spannend sein zu beobachten, wie wir damit umgehen werden.
Ein Gast-Beitrag von Christian Spließ, Jahrgang 1975. Der Bibliotheksassistent studiert an der FH Köln und ist passionierter Podcast-Fan und -Macher. Er schreibt für diverse Weblogs und Online-Magazine. Zu hören ist er dienstags ab 20 Uhr beim Campus-Radio Due.
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8 comments
Das Blogspiel im Deutschlandradio Kultur und Trackback auf Radio Fritz sind sicher gelungene Beispiele, dass die Podcast-Landschaft die öffentlich-rechtlichen Radios auf neue Ideen bringen kann. Ich erwarte aber eigentlich eher, dass die Podcaster selbst das Medium Radio entdecken und ihre eigenen Programme ins Web stellen. Zum Beispiel könnte man ein Webradio machen, in dem den ganzen Tag Musik und Podcasts gesendet werden, zwischendurch auch Telefon-Interviews mit Bloggern. Das kostet heute ja alles keine Unsummen mehr, sowas aufzusetzen. Das größte Problem wären wahrscheinlich die Kosten für die Musikrechte.
Ja, die GEMA hat zwar ein Modell für lizenzierte Musik, die in Podcasts verbreitet wird, vorgestellt und handhabt dies auch, nur geht es an der Realität und den Bedürfnissen vorbei.
Bei Spreeblick hat man sich damit einmal auseinander gesetzt:
http://www.spreeblick.com/2006/05/26/gema-tarife-fr-podcasts/
Oder nur solche Bands spielen, die auf Lizenzgebühren verzichten. Die Musiker haben ja auch was davon, wenn sie von vielen gehört werden.
Ein Podcast-Webradio wäre sicherlich auch spannend. Über die Thematik GEMA und Podcasts und Lizenzen – ein sehr weites Feld – könnte ich mich auch stundenland auslassen, habe das auch teilweise schon in meinem Blog oder bei der Telepolis getan und auch in der Debatte beim Spreeblick.
Momentan soll der Podcastclub mit der GEMA einen Arbeitskreis eingerichtet haben um sich die Problematik genauer anzusehen, beide Seiten waren nicht so recht glücklich mit den Lizenzen – seit September allerdings tagen die hinter verschlossenen Türen und ich bin gespannt ob das was wird und wir im Januar zum Podcastkongress in Köln etwas hören werden.
Aber bis dahin kann man ja auf ein großes Angebot von CC-Lizenzen zurückgreifen oder beim Podsafe-Music-Network vorbeischauen – wobei man da dann allerdings vorher vielleicht doch noch bei der GEMA nachsehen sollte ob die Titel dann nicht doch… Es ist halt kompliziert: Neue Technologien brauchen zudem auch immer eine Zeit bis dafür Lösungen gefunden werden, die passen. Das kann dauern…
Ad Astra
Spannend ja – aber wenn ich mal kurz dazu sagen darf: Die Meisten unterschätzen den Aufwand und die Kosten, die man für ein „vernünftiges“ Webradioangebot betreiben und aufbringen muss, mehr als erheblich. Da ists nicht mal mit einem „machen wir einfach mal“ getan, denn spätestens, wenn die Hörer wegbleiben, muss man das Projekt hinterfragen. Da haben Podcaster durchaus einen Vorteil und sind in ihrem Schaffen um Einiges flexibler. Ich denke auch, dass man schlicht die Zweitverwertungs-Podcasts nicht so sehr mit den „richtigen“ Podcasts in einen Topf werfen sollte. Da gehen die Macher schlicht von völlig unterschiedlichen Seiten ans Thema heran.