Im Zeitalter von Fake News und „Alternativen Fakten“ ist es gerade online oft schwer, Richtiges von Unrichtigem, Wahrheit von Propaganda zu unterscheiden. Einige Pläne zur Bekämpfung dieses Phänomens werfen mehr Probleme auf, als sie lösen. Letztendlich kommt es vor allem auf eines an: Das (begründete) Vertrauen in den Urheber der Nachricht. Nicht umsonst setzen Internet-Pioniere schon seit Jahren auf „vertrauensbasierte Netzwerke“. Umso problematischer ist es, wenn sich die Autoritäten der Offline-Welt ihre Glaubwürdigkeit durch allzu großzügigen Umgang mit der Wahrheit selbst entziehen.
Schlechte Zeiten für die Wahrheit?
Wahrheit und Fakten, das legt der öffentliche Diskurs jedenfalls nahe, haben es derzeit schwer. Immer häufiger scheint es im politischen und gesellschaftlichen Dialog eher um Befindlichkeiten und „gefühlte Wahrheiten“ zu gehen. Schlimmer noch: obwohl wir noch niemals so einfachen Zugang zu so vielen großartigen Informationsquellen hatten, wurde wohl auch noch nie so viel getrickst, getäuscht, manipuliert und schlichtweg gelogen. Nicht umsonst wird sogar darüber diskutiert, ob wir ein Gesetz brauchen, um sogenannte „Fake News“ zu bekämpfen, und nicht umsonst hat die neu gewählte US-Regierung – zur großen Erheiterung der Netzgemeinde – versucht, unwahre (oder zumindest tendenziöse) Behauptungen als „alternative Fakten“ zu etablieren.
Der Propaganda Herr werden
Für diejenigen, die sich mit dieser Flut von Propaganda, Halbwahrheiten und Lügen konfrontiert sehen, ist es oft schwer, eine Unterscheidung zu treffen. Natürlich: mit viel Recherche-Aufwand lässt sich der Wahrheitsgehalt der meisten Aussagen durchaus nachprüfen, die notwendigen Fähigkeiten bei der Suche nach Informationen und dem Umgang mit Quellen vorausgesetzt. Diese demokratische Möglichkeit des Zugangs zu Wissen und Informationen ist einer der großen Vorzüge des Internet.
Das ist jedoch nicht immer praktikabel. Ebenso wenig ist es eine gute Idee, unwahre Aussagen mit Gesetzen und Vorschriften bekämpfen zu wollen. Das ist nicht nur schwierig, wenn nicht unmöglich wirksam umzusetzen. Der Versuch sorgt auch für eine gefährliche Machtkonzentration bei Behörden und Providern. Im Bemühen, Lügen und Propaganda einzudämmen, wird eine Zensur-Infrastruktur etabliert, die womöglich späteren, weniger demokratisch gesinnten Machthaberinnen und Machthabern durchaus ihrerseits zur effektiven Verbreitung ihrer Propaganda dienen könnte.
Vertrauen in Urheberinnen und Urheber
Wie also sollen Nutzerinnen und Nutzer unterscheiden können, welchen Nachrichten sie vertrauen (können)? Oftmals läuft es vor allem auf eines hinaus: das Vertrauen in den Urheber oder die Urheberin der Botschaft. Wer nicht weiß, was er inhaltlich von einer Nachricht zu halten hat, bewertet häufig die Glaubwürdigkeit des- oder derjenigen, die sie verfasst oder verbreitet haben. Häufig glauben Menschen eher an jemanden als an etwas.
Diese Verhaltensweise darf natürlich nicht zu Personenkult und blinder Gefolgschaft führen. Sie kann aber, richtig umgesetzt, durchaus viel Gutes bewirken. Zwar hat auch Anonymität im Internet ihren Platz und ist richtig und wichtig, schon allein, um Whistleblower zu schützen oder Minderheiten vor Repression zu bewahren. Dennoch kann es gut und richtig sein, mit seinem Namen und seinem Ruf für eine Aussage einzustehen.
Aus der Hackerszene ist, vor allem im Zusammenhang mit Verschlüsselung, das Konzept „vertrauensbasierter Netzwerke“ bekannt. Dabei können Menschen gegenseitig ihre für die Verschlüsselung benötigten Zertifikate signieren. So wird ersichtlich, wie viele Menschen einer bestimmten Person vertrauen und, wichtiger noch, ob es sich dabei auch um Personen handelt, denen man selbst vertraut. Dies könnte in entsprechend modifizierter Form auch eine Möglichkeit sein, Fake News von seriösen Nachrichten zu unterscheiden, etwa in Form einer Art Voting. Auf jeden Fall ist dieser Ansatz sinnvoller als dergleichen mit Gesetzen regeln zu wollen.
Der Trump-Effekt
Um so problematischer ist es natürlich, wenn sich diejenigen, die besonders auf ihre Glaub- und Vertrauenswürdigkeit angewiesen sind, diese in kürzester Zeit verspielen. Prominentestes Beispiel hierfür ist wohl der unvermeidliche Donald Trump mit seinem meinungsfreudigen, aber vor Seriosität nicht gerade strotzenden Twitter-Account und seinen in ähnlichem Ton gehaltenen Reden. Aber auch viele andere Politikerinnen und Politiker sowie ein Teil der Medienbranche verspielen durch allzu sorglosen Umgang mit der Wahrheit das Vertrauen der Bevölkerung.
Das ist ein großes Problem, denn so wird es denjenigen, die die allgemeine Verwirrung zur Verbreitung von Fake News, Propaganda oder Verschwörungstheorien nutzen, unnötig leicht gemacht. Wer dergleichen bekämpfen will, muss auch und zuallererst bei sich selbst hohe Maßstäbe anlegen, muss sich das Vertrauen der Menschen verdienen.
Mit verdientem Vertrauen in die Zukunft
Wenn wir die Spaltung unserer Gesellschaft und die scheinbare Beliebigkeit im Umgang mit der Wahrheit bekämpfen wollen, führt der Weg nur über gegenseitiges Vertrauen – und über ein Verhalten, das dieses Vertrauen auch verdient. Es reicht nicht, für eine gute und richtige Sache einzutreten. Das muss auch so geschehen, dass die Menschen die Argumentation nachvollziehen und mittragen können. Intellektuelle Eitelkeit ist hier ebenso fehl am Platze wie ein „der Zweck heiligt die Mittel“ im Umgang mit Zahlen, Fakten und Statistiken. Wünschenswert ist es auch, dass die fortschrittlichen Journalistinnen und Journalisten des 21. Jahrhunderts Quellen und Rohdaten der eigenen Argumentation möglichst mitliefern. So kann, wer will und über die nötigen Ressourcen verfügt, sich selbst ein Bild machen. Stimmt dieses mit dem Präsentierten überein, wächst die Glaubwürdigkeit – und langfristig sinkt der Einfluss von Fake News und Desinformation auf unsere Gesellschaft.
Image (adapted) „hands“ by geralt (CC0 Public Domain)
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Schlagwörter: Fake News, politik, Propaganda, Vertrauen, vertrauensbasierte netzwerke, wahrheit, zukunft
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