In dieser Kolumne betrachtet Barbara Steidl die politischen Aktivitäten der Bundesregierung rund um das Reizthema “Frauenpolitik” kritisch, da es sich zumeist hinter der Familienpolitik verstecken muss.
Schon mal was vom “Corporate Governance Kodex” gehört? Diese Erklärung existiert seit knapp zehn Jahren und ist der neue alte Weg in eine Zukunft voller Chancengleichheit. Der Kodex verlangt nämlich, die in Deutschland geltenden Regeln für Unternehmensleitung und -überwachung transparent zu machen. Damit das Vertrauen in die Unternehmensführung deutscher Gesellschaft gestärkt wird. Damit nationale und internationale Investoren ein gutes Gefühl haben, wenn sie ihr Geld in deutsche Unternehmen stecken. Das Bundesjustizministerium hat diesen Kodex im Februar 2002 verabschiedet und hängt immer noch daran…
Denn nach diesem Vertrauen in die Unternehmen spricht sich Thomas Fischer, der Mann für den Bereich Chancengleichheit im Bundesfamilienministierium, neuerdings aus, so etwa auf einer Veranstaltung des Deutschen Juristinnenbunds. Das heißt aber auch, dass künftig nur mehr der Wunsch nach Vertrauen, nach Offenheit, nach Transparenz, der beruflichen Gleichberechtigung helfen soll. Und keine Quote, die etwa von den Aufsichtsräten deutscher Unternehmen aus die Chancen von oben nach unten ohne Geschlechter-Benachteiligung verteilt. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26. Oktober 2009 war noch von einem “Stufenplan” die Rede, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen:
Der Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst soll maßgeblich erhöht werden. Dazu wird ein Stufenplan, insbesondere zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten vorgelegt. Der Stufenplan setzt in einer ersten Stufe auf verbindliche Berichtspflichten und transparente Selbstverpflichtungen.
Anfang des Jahres hat sich Bundesfamilienministerin Kristina Schröder für Frauen in Führungspositionen ausgesprochen. Doch als bekennende Feminismus-Skeptikerin sprach sie sich früher höchstens ein bisschen, inzwischen aber kein bisschen mehr (auf die Quote als “Ultima Ratio” kann verzichtet werden) für Quoten aus. Sie lässt wohl demnach auch keinen “Stufenplan” entwickeln, zumindest keinen, den sie mit der Öffentlichkeit teilt. Stattdessen erhält sie Zustimmung von ihrem Koalitionspartner FDP, dessen Abgeordneter Marco Buschmann die Quote als “Evergreen der Grünen” und als “unterkomplexes Instrument für komplexe Fragestellungen” bezeichnet. Grün, einfach, nein!
Nicht alle im Bundestag sind dieser Meinung. Bündnis 90/Die Grünen haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine gesetzliche Frauenquote in Aufsichtsräten vorsieht. Auch die SPD will eine Quote, 40 Prozent nicht nur für Aufsichtsräte, sondern auch für Vorstände. Das gefällt auch der Linken. Doch die Opposition kann viel wollen, wenn die Regierung nicht will.
Kommen wir also wieder zurück zum Vertrauen, dass via Kodex alles gut machen soll. Kürzlich sagte Klaus Peter Müller, Vorsitzender der “Corporate Governance Kodex”-Kommission, dass wir keine Quoten brauchen:
Die Unternehmen brauchen keine neuen gesetzlichen Vorschriften. Wir haben im Kodex eine klare und sachgerechte Regel für mehr Frauen in Aufsichtsräten beschlossen, die spätestens bei der nächsten großen Welle der Neuwahlen in knapp drei Jahren wirken wird. Schon gar nicht brauchen wir eine starre Quote, die wie ein Rasenmäher wirkt. Ein Bau- oder Chemieunternehmen hat einen anderen Mitarbeitermix als ein Dienstleister. Das muss sich in den Gremien spiegeln.
Welchen Weg also empfiehlt Kristina Schröder einer Frau, die in der Berufswelt erfolgreich sein möchte? Die dieselben Chancen ergreifen können möchte wie ihre Kollegen, natürlich bei gleicher Qualifikation? Vielleicht in einem Chemieunternehmen, wo sonst nur Männer sind?
In dem inzwischen berühmten Spiegel-Interview nennt Schröder eine Quote eine Kapitulation an die Politik. In der Süddeutschen Zeitung sagt sie zu Lisa Ortgies, dass Unternehmen längst erkannt haben, dass sie Frauen an der Spitze brauchen. Deshalb sei eine Quote nicht mehr nötig.
Dass die Quoten-Gegnerin ihre einflussreiche, wichtige Position einer Quote verdankt, ist ihr übrigens bewusst. Aber ist ihr bewusst, dass es ihre eigene Politik ist, die die Menschen dazu bringt, Maßnahmen vom Gesetzgeber zu fordern, die ihr Leben ein bisschen chancengleicher machen? Die aktuelle Politik der Bundesregierung möchte, dass die Wirtschaft versteht und weise handelt. Ohne Druck. Ohne gesetzliche Maßnahmen. Diese Form von Good Will ist so was von gestrig, Kristina Schröder!
Die Autorin Barbara Steidl schrieb diesen Beitrag für das Blog maedchenmannschaft.net. Es erscheint hier als Crosspost.
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Schlagwörter: Frau, gender, politik, Quote