Von Explainers und Wow!-Sounds: Audio-Clips, die man teilt

Wie kann der öffentliche Hörfunk Audioinhalte produzieren, die einen großen Erfolg in den Sozialen Medien haben? Ein Experiment des NPR zeigt, was Audio viral macht. // von Eric Athas

Kopfhörer und Laptop (Bild: TheAngryTeddy [CC0 Public Domain], via pixabay)

Öffentliche Radiosender produzieren viel Audiomaterial – das aber auf Sharing-Plattformen nicht immer die Aufmerksamkeit bekommt, die ihm zusteht. Das National Public Radio (NPR: öffentliches Radio-Netzwerk in den USA) will dies beheben, was zu einer Reihe von Experimenten führte. Nun teilt Eric Athas vom NPR einige der daraus gewonnenen Erkenntnisse.


Warum ist das wichtig? Das US-amerikanische National Public Radio stellt sich die Frage, wieso Audioformate in den sozialen Medien nicht viral werden und startet mit mehreren Radiostationen ein Experiment.

  • Die wichtigsten Kriterien dafür, ob sich User einen Audioinhalt in sozialen Medien anhören, sind eine interessante Überschrift und ein gutes Bild.

  • Während des Versuchs bewegten sich die teilnehmenden Radiostationen weg von den traditionellen Mustern und stellten ihre übliche Arbeitsweise auf den Kopf.

  • Im Rahmen des Experiments wird ein Social Audio Framework mit vier Kategorien erstellt: Audio Explainers, Wow!-Sounds, Storyteller, Snappy Reviews.


Wahrscheinlich werdet ihr euch diese Audiodatei anhören – jedenfalls werden mindestens 56 Prozent der Leserinnen und Leser genau das tun:

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Das ist es, was unser Experiment, bei dem wir versucht haben Audiomaterial leichter zu verbreiten, bisher gezeigt hat. Man ist eher gewillt interessante Klänge zu hören und zu teilen, wenn diese mit einer guten Überschrift und einem Bild versehen wurden – und wir haben unlängst entdeckt, dass auch die Art des Audiomaterials wichtig ist.

Letztes Jahr habe ich über den Start eines Experiments mit den Radiostationen von NPR berichtet, bei dem einige der dringendsten Fragen zu Audio im Netz berührt wurden. Warum werden Audiodateien nicht viral? Wie kommt es, dass Menschen Bilder, Videos und Texte teilen, aber keine Töne?

Wir dachten uns, dass dies ein guter Augenblick für ein Statusupdate wäre, nachdem das vergangene Jahr sehr spannend für Audiofans war. Da war Serials raketenhafter Aufstieg zu einem der beliebtesten Podcasts. Alex Blumbergs süchtig machender Startup-Podcast darüber, wie man ein Podcast-Geschäft gründet. Der Start von Radiotopia und die erfolgreiche Kickstarter-Kampagne. Und beim NPR: Der neue Podcast Invisibilia und eine infinite-playing app namens NPR One. Außerdem gab es noch zahlreiche andere Innovationen im Audiobereich – zu viele, um sie hier alle zu nennen.

Im letzten Jahr haben wir mit zwölf Radiostationen zusammen gearbeitet und zwei sechswöchige Pilotprojekte gestartet – mit dem Ziel Menschen dazu zu bringen, Audiomaterial zu verbreiten und darüber mit unbekannten Menschen an unbekannten Orten zu reden.

Die Stationen produzierten insgesamt 44 Audioformate, die insgesamt von 500.000 Menschen gehört wurden. Die durchschnittliche Zuhörrate lag bei ungefähr 56 Prozent im Verhältnis zu den gesamten Seitenaufrufen. Das ist fünfmal häufiger, als eine durchschnittliche Audiogeschichte auf der Homepage einer Radiostation abgespielt wird. (Ihr solltet im Hinterkopf behalten, dass diese Radiostories oft am Anfang eines Textstücks liegen – was sich deutlich von dem unterscheidet, was die Stationen für dieses Projekt erschufen.)

Das Social Audio Framework

Wir haben diesen Analyserahmen erstellt, indem wir unser anfängliches Experiment genutzt und uns auf die Dinge fokussiert haben, die die öffentlichen Radiosender bereits richtig machen. Hier sind alle Kategorien mit beispielhaften Audioformate der Stationen aufgeführt.

Audio Explainers

Erklärender Journalismus ist neuerdings zu einem verbreiteten Storytelling-Ansatz geworden. Tatsächlich ist jedoch die Praxis, eine Nachrichtengeschichte so zu erklären, dass sie für die Menschen verständlich wird, im öffentlichen Hörfunk bereits länger verbreitet. Das ist die grundlegende Idee hinter Audio Explainers. Sie erklären einen Sachverhalt mithilfe eines einfachen, kurzen und interessanten Audioclips. Zum Beispiel wie man wie jemand aus Austin klingt (36.000 Aufrufe); oder alternativ: Wie man wie jemand aus dem Pazifischen Nord-Westen klingt (89.800 Aufrufe); oder der wissenschaftliche Grund, warum Tomatensaft in Flugzeugen besser schmeckt (34.800 Aufrufe).

Wollt ihr wie jemand aus Austin klingen? Dann hört euch doch einmal den Audio Explainer an:

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Wow!-Sounds

Ein Wow!-Sound sollten jemanden dazu bringen, so zu reagieren: Wow! Und vielen Menschen tun das auch, wenn sie einen Wow!-Sound auf Facebook oder Twitter teilen. Diese Kategorie fängt das faszinierende Geräusch eines Ortes, einer Person, eines Tieres oder etwas anderem ein. Es kreiert eine einzigartige Hörerfahrung, die visuell nicht funktionieren würde. Das könnte zum Beispiel eine Cellistin sein, die ein Duett mit ihrem Gehirn spielt (27.100 Aufrufe); oder die unheimliche Stille des Klimawandels (26.000 Zugriffe); oder der seltsame Klang, der sich im Gezwitscher eines Kolibris versteckt (75.500 Zugriffe):

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Storyteller

Öffentliche Radiosender interviewen eine Menge Menschen rund um den Globus. Die Menschen in unseren Geschichten haben oft erstaunliche Geschichten zu erzählen. Aber es ist mehr als das. Die Art und Weise, wie diese Geschichten erzählt werden, ist ergreifend. Diese Kategorie, Storyteller, greift Erfahrungen auf, die das Zeug zum driveway moment haben – ein drängendes Bedürfnis etwas im Radio noch zu Ende zu hören, auch wenn man bereits mit dem Auto sein Ziel erreicht hat. Zum Beispiel die erschütternde Geschichte über den Arzt, der versucht einen Jungen zu retten, der gerade an Ebola stirbt (10.400 Aufrufe); oder die witzige Hintergrundgeschichte zu einer Frau, die die Stimme der U-Bahn von Washington D.C. wurde; oder ein 10-jähriges Mädchen, das sehr redegewandt beschreibt, was sie am Klima von Vermont so sehr liebt.

Wenn ihr zweieinhalb Minuten Zeit habt, hört doch diesem herzzerreißenden Storyteller zu:

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Snappy Reviews

Diese Kategorie ist einfach: Erzählt der Zuhörerin oder dem Zuhörer alles zu einer bestimmten Sache. Das kann ein Kinofilm, ein Buch oder eine lokale Attraktion sein. Macht das Ganze zu einem prägnanten Audioclip. Er kann dem Muster einer traditionellen Review folgen, aber die Radiostationen experimentierten mit einigen kreativeren Ansätzen. KUT bestimmte die beliebtesten Wahrzeichen von Austin… und las dazu die jeweils schlimmsten Yelp-Reviews vor (13.600 Zugriffe). Zwei Reporter aus Nashville verschlangen die stadtbekannten hot chicken und nahmen alles auf Band auf – Ausgelassenheit garantiert (3.900 Zugriffe)!

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Was kommt als nächstes?

Beeindruckt eines dieser Audioformate aufgrund seiner Zugriffszahlen? Nein, aber es ist schließlich ein Experiment. Und wir sind von den Ergebnissen begeistert. Wenn die Geschichten in den Sozialen Medien geteilt wurden, klickten die Menschen, sie hörten sie sich an und verbreiteten sie weiter. Oftmals drehten sich die Gespräche auf Facebook darüber, was die User gerade gehört haben.

Die teilnehmenden Radiostationen produzierten Inhalte, die weit vom traditionellen Radio entfernt waren. Und eine Menge Audiomaterial wurde geschaffen, um zuerst im Internet zu erscheinen und dann erst auf Sendung zu gehen – eine komplette Umkehr der typischen Arbeitsweise. Einige Stationen versuchen nun Wege zu finden, diese Art des Storytelling  in die Nachrichtenabteilungen zu bringen.

Dies ist nur ein weiterer Schritt in einer Reihe von Experimenten, kein Abschluss. Wir fahren damit fort, innerhalb dieses Projekts zu experimentieren, so wie es auch andere Menschen innerhalb und außerhalb des Hörfunks machen. Und wie ich es in einem anderen Artikel bereits ankündigte: wir werden euch ganz sicher an dem teilhaben lassen, was wir als nächstes herausfinden.

Zuerst erschienen auf niemanlab.org. Übersetzung von Daniel Peter.


Teaser and Image by TheAngryTeddy (CC0 Public Domain)


ist Journalist beim NPR (ehemals National Public Radio), eine öffentliche, lose organisierte Zusammenarbeit von Hörfunksendern in den USA. Davor war er bei der Washington Post tätig.


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