Von Neuland ins Wunderland mit dem Internet der Dinge und Dienste

Das Internet der Dinge und Dienste ermöglicht uns schon jetzt – bei allen Risiken und Nebenwirkungen – das Leben in einem smarten Wunderland. In letzter Zeit konnte man meinen, ich hätte mich zum Technologie-Pessimisten entwickelt. Ich habe über Überwachung geschimpft, mich über Apps aufgeregt und gewettert, dass wir uns in digitalen Blasen bewegen. Es wird höchste Zeit, dass ich ein wenig positiver werde! Wenn wir es schaffen, dass unsere Privatsphäre geschützt wird, dass wir kontrollieren können, wer was mit unseren Daten anstellt und wir uns die digitale Souveränität zurückgeholt haben, dann liegt uns ein Wunderland zu Füßen. Und dabei rede ich nicht von einer fernen Zukunft, die erst noch entwickelt werden muss. Ich spreche von dem, was hier und jetzt (fast) schon möglich ist.

Mein idealer digitaler Tag

7:00 Uhr – Das Radio schaltet sich ein. Toxic FM rockt mich aus dem Schlaf. Im Schlafzimmer, auf dem Flur und in der Küche gehen die Lichter an – es ist Winter und noch dunkel draußen. Gleichzeitig startet in der Küche die Kaffeemaschine ihr Werk. Jetzt kann mich nicht mehr wehren und rolle aus dem Bett.
Im Flur tippe ich auf den Schalter, der Bond einstellt.

Guten Morgen, Tinka.

Ich gehe in die Küche und schiebe meinen Bagel in den Toaster.

Hi Brad, alles gut?“ begrüße ich den Brotröster, der momentan bei mir wohnt und tätschele ihn leicht. Er brummt zufrieden und schickt einen Tweet in die Welt: „Nett hier. Hier könnte ich eine Weile bleiben.“

Ich nehme meine dampfende Kaffeetasse und ziehe ins Bad. Als ich das Licht anschalte, erklingt das Radio auch hier. Im Wohnzimmer nimmt derweil die Heizung den Betrieb auf. Ich trinke schnell einen Schluck, bevor ich unter die Dusche klettere.

Zurück in der Küche hat Brad meinen Bagel fertig und ich kann mit meinem Frühstück ins angenehm warme Wohnzimmer umziehen.

Was gibt’s neues?“ frage ich und das Radio geht aus.

Willst du selbst lesen, Tinka?“ antwortet Bond.

Nein, ich höre dir gerne zu„, murmele ich zwischen zwei Bagel-Bissen.

Bond fängt an, mir die Schlagzeilen von Tagesschau, Aljazeera und Schwäbischer Zeitung vorzulesen. Diese drei habe ich als meine Hauptinformationsquellen ausgewählt.

Warte, was war das, Bond?“ unterbreche ich den Informationsfluss.

Baden-Württemberg veröffentlicht ersten Entwurf seines Informationsfreiheitsgesetzes.“

Krass! Bond, zeig mir doch, was es schon für Kommentare dazu gibt.“

Ein paar Augenblicke später erscheinen am großen Bildschirm an der Wand verschiedene Kommentare, die ich während meines Frühstücks überfliege.

Die Männlein, die schwärmten, klappten und lärmten.

Gibt’s sonst noch was neues, Bond?

Ja, Tinka. Deine Zahnärztin hat auf deine Terminanfrage geantwortet. Ihr passt übermorgen um 8:00 am besten.“

Ok, Bond. Bitte bestätige das.“

Zahnarzt ist für mich kein Angstthema, seitdem meine Zahnbürste dafür sorgt, dass meine Zähne ordentlich geputzt sind (zum Beispiel Beam oder Kolibree).

Mache ich. Der Kühlschrank meldet, dass wieder eine Bestellung fällig ist. Wann passt dir die Lieferung.“

Prima. Da fällt mir ein, Bond: Gibt es inzwischen schon deutsche Erdbeeren? Dann hätte ich gerne welche. Die Lieferung passt heute Abend um 20 Uhr.“

Alles klar, Tinka. Das war’s.“

Schickst du noch den Heinzelmann los?

Mache ich.“

Als ich aus dem Wohnzimmer gehe, nimmt der Staubsauger-Roboter schnurrend die Arbeit auf.

Bond, steht ein Fahrrad in der Nähe? frage ich, als ich meine Schuhe zubinde.

Ja, Tinka. In der Station direkt vor dem Haus.“

Prima, reservier das bitte. Das war’s„, verabschiede ich mich und Bond schaltet auf taub.

Big Bellys und kluge Augen

Ich nehme den Müll mit nach unten. Der Bio-Behälter verschlingt meine Apfelschalen und Teebeutel. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie eine kleine Leuchte angeht. Der Container ist voll und sendet direkt ein Signal an die Müllabfuhr (zum Beispiel Enevo oder BigBelly Solar). Auf der anderen Straßenseite schließe ich mir ein E-Bike auf mit meiner Transport-Karte (zum Beispiel wie beim E-Bike-Sharing). Ich fahre gerne ins Büro, auch wenn ich das nicht müsste.

In meinen Mails findet ich eine Benachrichtigung aus dem offenen Ratsinformationssystem. Der Stadtrat diskutiert in einem Monat darüber, wie es mit dem Ausbau des Campus-Geländes weitergehen soll. Ich klicke auf den Link in der E-Mail, der mich zum entsprechenden Projektraum führt. Dort gibt es schon ein paar Ideen und Entwürfe zu sehen. Die Mail leite ich an eine Freundin weiter, die Stadtplanerin ist. „Guck doch mal, ob das was für euch ist. Und abonnier die Alerts zum Campus!“ (Offene Ratsinformationssysteme sind im Kommen, zum Beispiel in Köln oder Moers.)

Außerdem habe ich eine Benachrichtigung von der Ehrenamtsbörse. Eines der Mehr-Generationen-Häuser möchte einen Internet-Kurs veranstalten und sucht Freiwillige. Ich logge mich ein und signalisiere, dass ich grundsätzlich verfügbar wäre. (Einige Gemeinden fangen langsam mit Online-Ehrenamtsbörsen an, zum Beispiel Harburg, Wesel oder Worms.)

Am Abend warte ich am Ruderverein auf den Rest meines Teams und lese dabei auf dem Tablet das Paper weiter, was meine Kollegin mir in unsere Gruppe hochgeladen hat, und ergänze ihre Anmerkungen (zum Beispiel mit Mendeley). Zwei Seiten später aber ist unser Boot komplett und ich wechsele die Brille. Meine neue Sonnenbrille zeigt mir das Bild an, was die Kamera am Bug aufnimmt – was es um einiges angenehmer macht, ohne Steuermann zu fahren. (Ruderer sitzen mit dem Rücken zur Fahrtrichtung.)

… und der Strom ist gerade günstig

Das Wetter ist super und wir bleiben ein wenig länger auf dem Wasser als geplant. Ich muss mich beeilen und frage Öffi nach dem schnellsten Weg nach Hause. (Öffi integriert an meinem idealen Tag auch Car2Go-Möglichkeiten und Mitfahrgelegenheiten, wie Moovel es macht.) Passenderweise gibt es in fünf Minuten einen Bus, und seitdem wir eine intelligente Ampelschaltung haben, die es Bussen leichter macht, durch die Stadt zu kommen, bin ich damit auch fix zu Hause.

Schon auf der Straße sehe ich, dass das Licht an ist und als ich meine Schuhe ausziehe, beendet gerade die Waschmaschine ihr Programm. (Ich warte noch auf den Tag, an dem Heinzelmann auch meine Wäsche aufhängen kann!) Auf dem Weg ins Bad schalte ich Bond an.

Guten Abend, Tinka.“

Was gibt’s neues?“ frage ich.

Alles beim alten„, antwortet Bond. „Denk daran, dass nachher deine Einkäufe geliefert werden.“

Und tatsächlich, eine halbe Stunde später klingelt es an der Tür – wurde auch Zeit, ich habe inzwischen wirklich Hunger. Ein wenig später lasse ich mich mit meinem Essen aufs Sofa fallen.

Bond, hast du die neue Folge Game of Thrones schon?“ (An meinem idealen digitalen Tag, gibt es Netflix in Deutschland oder zumindest ein besseres Watchever und dort ist natürlich Game of Thrones im Angebot.)

Klar, Tinka.“

Nachdem ich eine Stunde dabei zugesehen habe, wie mindestens drei meiner Lieblings-Charaktere sterben, schalte ich Bond taub und gehe ins Bett. Licht und Heizung gehen aus. Nach einer Weile fängt in der Küche der Geschirrspüler an zu surren – der ist zum Glück sehr leise und der Strom ist gerade günstig.


Image (adapted) „Old Light Switches“ by Paul Cross (CC BY 2.0)


(Tinka) arbeitet und forscht am Lehrstuhl für Verwaltungs- und Wirtschaftsinformatik an der Zeppelin Universität (ZU) in Friedrichshafen. Nach ihrem Bachelorstudium an der International Business School in Groningen in den Niederlanden absolvierte sie an der ZU einen Master in Politik- und Verwaltungswissenschaften. Tinkas Forschung konzentriert sich auf die Rolle des Bürgers in der digitalen Demokratie. Außerhalb von Deutschland hat Tinka schon in Frankreich, den Niederlanden, Kanada und Spanien gelebt und spricht die jeweiligen Sprachen. Momentan arbeitet sie daran, der Liste noch Arabisch hinzuzufügen. Tinka reitet, rudert, fährt Snowboard und ist überzeugter Werder-Fan.


Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: , , ,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert