Game Over – Warum gute Entwickler schlecht werden

Es gibt Spieleentwickler, die bringen eine bunte Mischung guter, schlechter und äußerst durchschnittlicher Spiele auf den Markt. Dann gibt es aber auch die wenigen besonderen Ausnahme, Spiele-Edelschmieden, die offenbar alles zu Gold machen. Doch irgendwann verblasst der Glanz diese goldenen Zeiten und selbst die besten Entwickler produzieren schlechte Spiele. Doch warum werden gute Entwickler schlecht?

Wir begeben uns auf die Suche nach den Gründen, aus denen ehemals beliebte Spieleentwickler wie Bioware oder Blizzard qualitativ abfallen. So viel sei schonmal gesagt: Es ist nicht so furchtbar, wie es scheint.

Spieler wollen ihre Helden verehren

Es gibt nichts schöneres, als seine Leidenschaft mit anderen zu teilen. Es gibt kaum etwas geileres als gelebte Fankultur. Da ist es mit Gaming genau so, wie beispielsweise mit der enthusiastischen Animeszene. Auch auf Musik-Festivals entsteht diese überwältigende Energie, wenn Leute mit gleichem Interesse zusammenkommen, um dieses zu feiern.

Beim Gaming muss diese Leidenschaft nicht nur auf einzelne Spiele beschränkt sein. Auch ganze Spielereihen oder ihre Entwickler können verehrt werden. Ein ganz prominentes Beispiel ist für mich wirklich Blizzard. Ich selbst habe deren Spiele zwar nie so exzessiv gespielt, aber die Fankultur ist einfach einzigartig. Für viele Fans ist die firmeneigene Veranstaltung Blizzcon jedes Jahr ein großes Highlight. Eine Convention nur für die beliebten Spiele-Franchises eines einzelnen Entwicklers, seit ihres Starts 2005 jedes Jahr mit bis zu 26.000 Besuchern ausverkauft. Auf Konzerten des Gaming-Musikers Jan Hegenberg habe auch ich die World of Warcraft-Lieder leidenschaftlich mitgeschmettert, obwohl ich es selbst nicht spielte.

Wir Spieler wollen unsere Helden. Starke Charaktere die ein Spiel tragen, Spielereihen, die uns auch nach Jahren immer wieder erfreuen. Und wir wollen Entwickler, auf deren Spiele wir uns verlassen können. Wir möchten einem Studio blind vertrauen, Spiele kaufen, ohne zuvor Tests oder YouTube-Videos abzuwarten. Es ist wie mit der Lieblingsband, deren CD man sofort vorbestellt, am liebsten noch in der limitierten Auflage mit vielen Extras für den leidenschaftlichen Fan. Manche Studios werden durch ihre Spiele zu den Rockstars ihrer Branche – eines davon heißt sogar Rockstar Games.

Doch genau so, wie manche Bands sich irgendwann weiterentwickeln und ihre Wurzeln verlassen ist es auch mit Entwicklern. Manchmal ist es auch bei Games der Fortschritt, warum gute Entwickler schlecht werden – oder zumindest nicht mehr den eigenen Geschmack treffen. Oft geht die vermeintlich schlechtere Qualität auch einfach mit der Anbiederung an den Massenmarkt einher.

Ein gutes Spiel braucht kreative Masterminds

Für mich steht und fällt ein Spiel mit der kreativen Vision. Damit meine ich nicht zwingend, dass ein Spiel das Rad neu erfinden und zwanghaft andersartig sein muss. Ein gutes Spiel benötigt aber mindestens eine Person, die eine großartige Spielidee hat und diese auch an das Team weiterzugeben versteht.

Wie wichtig es ist, dass man diese kreative Vision an ein Team vermitteln kann, sieht man an Peter Molyneux, einem der kreativsten Köpfe der Branche. Unter Bullfrog war er unter anderem für die Erfolge Populous, Theme Park, Dungeon Keeper und Theme Hospital verantwortlich. Später bei Lionhead Studios fiel es ihm zunehmend schwerer seine genialen Ideen auch umzusetzen. Black & White war in der Idee eine grandiose Göttersimulation, die aber manchmal etwas sperrig in ihrer Steuerung war. Die Welt von Fable reagierte wie keine andere auf die Taten des Spielers, doch die Umsetzung entsprach nie ganz den Versprechungen. Ich hatte immer das Gefühl, das Molyneux Probleme hatte, seine Visionen an ein größeres Team zu transportieren.

Nicht falsch verstehen: Weder Black & White noch die Fable-Reihe waren schlechte Spiele. Ich habe sogar beides sehr gerne gespielt. Molyneux hatte nur das Problem, dass seine Visionen größer sind als ihre Umsetzung. So merkte man unter anderem bei Fable, dass das geplante Pflanzenwachstum in Echtzeit einfach zu viel Rechenpower frisst, um es ins endgültige Spiel zu schaffen. 

Kreative Köpfe tragen jedenfalls ein ganzes Team und es läuft gut, so lange sie als Kapitän eine gute Mannschaft führen und das Schiff steuern. Oft erleiden die Studios Schiffbruch, wenn der wichtige Teile der Besatzung sich ein neues Schiff suchen. Bioware machte nicht nur mittelmäßige Rollenspiele, weil sie von Electronic Arts aufgekauft wurden. Die beiden Gründer verließen das Studio, um sich gänzlich anderen Aufgaben zu widmen. Vielleicht beschnitt EA ihre kreativen Freiheiten, vielleicht waren die beiden auch selbst kreativ ausgebrannt und es war zeit für gänzlich neue Projekte.

Viele große Entwickler gründen neue Studios

Peter Molyneux ist nicht der kreative Kopf, dem die Größe der eigenen Projekte um die Ohren fliegt. Gerade bei Studios die klein anfingen, gründen wichtige Personen irgendwann ihr eigenes Studio. Weniger Abhängigkeit von einem Geldgeber, kleinere Teams und weg von eingefahrenen Strukturen. Und gerade der Indie-Boom auf dem PC sorgte für völlig neue Möglichkeiten, die eigenen Visionen umzusetzen.

Minecraft öffnete die Türen zu einer neuen Art der Entwicklung. Man überzeugt Spieler schon in einer frühen Phase der Entwicklung vom Spiel und lässt sie das Spiel bereits kaufen und die Entwicklung mitverfolgen. Auch das ist eine Art der Fankultur, weil dabei meist ein sehr enger Austausch zwischen Entwickler und Spielerschaft stattfindet. Neben diesem Early Access-Modell kam durch Kickstarter zudem das Crowdfunding auf. Dafür stellen Studios ihre Vision vor und sammeln Geld. Ab einer festgelegten Summe gibt es eine Umsetzung des Spiels. Spender erhalten im Gegenzug einen Gegenwert – meist das Spiel mit unterschiedlichen Boni je nach Höhe des Betrags. 

Wer hier schon einen Namen durch frühere Spiele hat, hat klare Vorteile. Man hat von Anfang an eine Basis, die das Spiel auf jeden Fall unterstützt und deren erste Tage womöglich für mediales Aufsehen sorgen. So erlaubte es Larian Studios um Chefentwickler Swen Vienke die Entwicklung von Divinity: Original Sin und seinem noch erfolgreicheren Nachfolger, ohne sich den Wünschen eines Publishers unterordnen zu müssen.

Den größten Crowdfunding-Erfolg hat jedoch Star Citizen, eine Weltraumsimulation des Wing Commander-Schöpfers Chris Roberts. Die fortlaufende Crowdfunding-Kampagne startete bereits 2012 und  hat bislang mehr als 350 Millionen Dollar erbracht. Das Projekt nahm dadurch immer größere Dimensionen an und ist noch immer weit von einer Fertigstellung entfernt. Teile der Gesamtvision sind aber bereits spielbar.

Rockstar Games und Nintendo eine Ausnahmeerscheinung

Trotzdem gibt es auch immer wieder Ausnahmen. Rockstar Games versorgt uns schon seit über 20 Jahren mit hochwertigen Spielen. Das liegt auch daran, dass sich das Studio den Luxus erlaubt, ihre Spiele sehr lange und teuer zu entwickeln, weil sie sich fast schon automatisch gut verkaufen. Auch waren die Gründer-Brüder Sam und Dan Houser bis vor kurzem noch immer in der Unternehmensführung. Mittlerweile hat Dan Houser das Studio verlassen und es muss sich zeigen, ob sein Bruder die Qualität künftiger Spiele beibehalten kann.

Eine weitere Ausnahme ist Nintendo. Mario, Zelda, Metroid, Donkey Kong und Co faszinieren uns schon seit den 80ern und haben den Umstieg in die 3D-Grafik so gut wie kaum andere Spielereihen geschafft. Ein Grund dafür ist sicherlich die japanische Tradition, die man auch in vielen japanischen Rollenspiel-Reihen sieht. Mario bleibt im Kern immer Mario und die großen Entwickler-Ikonen wie Shigeru Miyamoto bleiben Nintendo treu. Insgesamt ist Japan da deutlich traditionsreicher und viele japanische Gamer spielen vor allem die heimischen Produktionen. Doch selbst hier im Westen lassen wir unseren Lieblingsklempner immer wieder gerne seine geliebte Prinzessin retten.

Gute Entwickler werden schlecht – und das ist gut so

Viele gute Entwicklerstudios kommen und gehen. Aber wisst ihr was? Ich finde das mittlerweile gut so. Black Isle, Westwood, Bioware, Blizzard, Maxis, LucasArts – viele Studios haben ihre Qualität verloren oder lösten sich sogar komplett auf. Das macht aber nichts. So entsteht immer wieder Platz für neue Studios Diese können von alten Hasen gegründet sein oder aus dem nichts kommen. Als SimCity schwächelte, war da beispielsweise das finnische Studio Colossal Order und hat das Zepter in Sachen virtuellen Städtebaus frech übernommen.

Auch ich war damals frustriert, als Bioware nicht mehr das Bioware war, das ich für Spiele wie Baldur’s Gate, Neverwinter Nights und Star Wars: Knights oft he Old Republic lieben lernte. Es war ein Stich ins Herz, weil ich diese Spiele liebte und dem Studio einfach bedingungslos vertraute. Das Vertrauen wurde dann erschüttert und jede Enttäuschung war ein neuer Nadelstich.

Mittlerweile sehe ich die Dinge etwas anders. Gute Rollenspiele dieser alten Art finde ich noch immer. Pillars of Eternity, Divinity: Original Sin 2, Wasteland 3, und Pathfinder: Kingmaker. Sie alle atmen den Geist der alten Bioware-Spiele. Auch aktuell sind mit Baldur’s Gate 3, Solasta oder Pathfinder 2 richtig heiße Eisen im Feuer. Ich weiß, dass Bioware solche Spiele nicht mehr entwickeln könnte und bin froh, dass es so viele andere Entwickler gibt, die es erfolgreich machen. Soll es bombastischer sein, gibt es The Witcher 3 oder Cyberpunk 2077 von CD Projekt – auch wenn CD Projekt mittlerweile ebenfalls etwas strauchelt.

Ich habe gelernt, dass nicht alles ewig währt und schaue mich lieber um und entdecke die tollen Spiele, die jetzt gerade kommen. Wer die Nostalgiebrille auch mal absetzt, wird ohnehin erkenne, dass selbst die vermeintlichen Perlen von damals heute nicht nur grafisch angestaubt wären.


Image by mitoria via Adobe Stock

Das Internet ist sein Zuhause, die Gaming-Welt sein Wohnzimmer. Der Multifunktions-Nerd machte eine Ausbildung zum Programmierer, schreibt nun aber lieber Artikel als Code.


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