Wenn in der heutigen medialen Berichterstattung das Thema Darknet aufkommt, dann könnte man den Eindruck einer Parallelwelt des normalen Internets bekommen.
Und wenn überhaupt eines klar ist, dann, dass in diesem „dunklen Netz“ nur übelste Dinge geschehen und Digital-Experten ihr Unwesen treiben. Sozusagen die Unterwelt des Internets.
Was das Darknet ist und wie ihr dorthin kommt
Das Internet als solches ist bekanntlich ein weltumspannendes Netzwerk aus zig Millionen Computern. Tatsächlich teilt sich dieses Netz jedoch in drei unterschiedliche Ebenen auf:
- Clearnet oder Surface Web:
Das ist das frei zugängliche World Wide W Als wichtigstes Merkmal sind alle Sites und Datenbanken auf herkömmlichen Suchmaschinen indiziert und man hat mit herkömmlichen Browsern, Verbindungstechniken usw. Zutritt. - Deep- oder Hidden Web:
Ebenfalls ein Teil des WWW, aber die Informationen sind nicht durch herkömmliche Suchmaschinen erfasst. Sie können deshalb nur über die direkte Eingabe einer URL oder IP-Adresse aufgerufen werden. - Darknet:
Ein vom WWW abgetrenntes Netzwerk, eigentlich sogar viele Netzwerke. Diese nutzen eigene Kommunikationsprotokolle. Der Zugang ist nur über spezielle Techniken möglich (etwa TOR). Als wichtigstes Merkmal existieren im Darknet nur bestimmte Routen, um Teilnehmer miteinander zu verbinden.
Es gibt außerdem nicht „das“ einzelne Darknet. Vielmehr handelt es sich dabei um verschiedene Netzwerke, die lediglich alle dieselben Merkmale aufweisen. Also abgetrennt vom herkömmlichen WWW, nicht über normale Suchmaschinen, Browser und Zugänge zu erreichen – und meist verschlüsselt und anonym.
Ist es illegal, ins Darknet zu gehen?
Klares Nein, solange es sich um ein mit den genannten Techniken frei zugängliches Darknet-Netzwerk handelt – und ihr dort nichts Illegales anstellt. Übrigens gilt das sogar in Fällen, in denen ihr im Darknet vollkommen legale Ware kauft.
Allerdings solltet ihr euch bei sowas fragen, warum jemand seine Waren ausgerechnet im Darknet anbietet. Oftmals sind diese zwar in ihrer Art freiverkäuflich, stammen aber aus Diebstählen. In dem Fall würdet ihr Hehlerware kaufen, das wäre wiederum eine Straftat – selbst wenn ihr nicht wusstet, dass die Güter gestohlen waren.
Wichtig: Vieles im Darknet mag zwar legal sein. Dennoch raten wir dringend davon ab, euch auf Plattformen zu begeben, auf denen Illegales geschieht oder geduldet wird. Selbst, wenn ihr dort nichts Illegitimes macht, könntet ihr ins Visier von Ermittlern geraten – und unterstützt allein durch eure Präsenz den Betrieb solcher Anlaufstellen.
Im Prinzip ist das moderne Darknet eine extrem anarchistische Variante des Clearnet: Es gibt hier keine Zensur, keine staatliche Kontrolle, man ist anonym. Ein wirklich „freies“ Netz – das natürlich dementsprechend mannigfaltige Vor- und Nachteile aufweist. Dadurch erklärt sich auch, was hier so abläuft.
Dissidenten tauschen sich aus
Surface- und Deep Web zu überwachen, ist aus technischer Sicht ein Kinderspiel. Wie umfassend das getan wird, hat uns Edward Snowden bereits 2013 eindrucksvoll vor Augen geführt. Kaum weniger schwierig ist es, das Web zu limitieren oder im eigenen Land sogar gänzlich abzuschalten.
Das mag schon in demokratischen Staaten im Höchstmaß frag- und kritikwürdig sein. Wenn ihr jedoch auf Länder schaut, in denen zumindest eine Gruppe unter staatlichen Repressalien leidet, dann wird daraus ein Unterdrückungsapparat. Das traurige Paradebeispiel dafür, was möglich ist, ist die Vorgehensweise Chinas im eigenen Land.
Das Darknet ist durch seine Charakteristik eine der wenigen Möglichkeiten, solche Zensur-, Kontroll- und Unterdrückungsmaßnahmen ziemlich wirkungsvoll zu unterlaufen. Heißt, für viele Dissidenten ist es die einzige Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen – und nicht zuletzt die restliche Weltöffentlichkeit über die Zustände zu informieren.
Gehackte Datenbanken werden gehandelt
Wisst ihr, was „Credential Stuffing“ ist? Letztlich ist es eine mittlerweile millionenteure Masche, bei der Cyberkriminelle auf Clearnet-Datenbanken die realen Zugangsdaten von Personen abgreifen. Damit können dann sowohl legitim wirkende Fake-Accounts auf anderen Sites eröffnet als auch eigene Attacken durchgeführt werden.
In dem Fall werden die Zugangsdaten auf anderen Sites (automatisiert) durchprobiert. Dies in der Hoffnung, User würden dieselbe Kombination aus beispielsweise E-Mail-Adresse und Passwort woanders ebenfalls nutzen. Etwa bei einem Zahlungsdienstleister.
Solche Datensätze sind eine Menge Geld wert – ähnlich wie es geklaute Kreditkartennummern und ähnliche Informationen sind. Und das Darknet ist der wichtigste Ort, an dem sie den Besitzer wechseln. Aus Gründen maximaler Anonymität geschieht das übrigens praktisch grundsätzlich über Kryptowährungen.
Journalisten und Whistleblower bleiben unerkannt
Stellt euch vor, ihr würdet in einem Land leben, in dem der Staat Leute in Lager steckt. In dem die Presse komplett mundtot ist, weil jedes Wort Zensurstellen passieren muss. Und dann stellt euch vor, niemand jenseits der Grenzen weiß davon.
Es gibt leider viele Länder, in denen solche Zustände herrschen. Und weil diese oftmals sehr gut darin sind, ihren Teil des Internets zu kontrollieren, sind alle, die über diese Zustände informieren möchten, in Gefahr.
Tatsächlich müssen wir noch nicht einmal auf undemokratische Staaten schauen. Denkt an jemanden, der über üble Praktiken seines Arbeitgebers informieren, aber seinen Job nicht verlieren will.
Hier zeigt sich erneut die positive Seite der Darknet-Anonymität. Wer sich hier nicht gerade völlig unsicher verhält, kann an sämtlichen Stellen vorbei andere informieren. Einige Presseagenturen betreiben sogar eigene Darknet-Plattformen, damit sich Whistleblower und andere direkt an sie wenden können.
Gefälschte Dokumente werden verkauft
Ihr befindet, vom gefälschten Führerschein über den Reisepass eines anderen Landes oder einen nicht real gemachten Universitätsabschluss ein entsprechendes Dokument zu benötigen?
In dem Fall sind verschiedene Ecken des Darknets eure Anlaufstation. Wir müssen kaum unterstreichen, wie immens illegal es ist, solche gefälschten Dokumente in Auftrag zu geben und zu erwerben.
Und weil dabei obendrein mitunter echte Namen oder Fotos preisgegeben werden müssen (ein Pass mit fremdem Foto nützt euch ebenso wenig wie ein gefälschtes Hochschulzertifikat mit anderem Namen), wird die Anonymität völlig unterlaufen. Wollt ihr wirklich, dass irgendwelche Kriminellen wissen, wie ihr heißt oder ausseht?
Leute chatten ohne Kontrolle
Chatten ist im Clearnet meist nur dann unkontrolliert möglich, wenn zwei Personen sich bereits kennen. Denkt an die wegen ihrer Sicherheit gefeierte quelloffene Messenger-App „Signal“. Wenn es jedoch darum geht, mit Unbekannten zu chatten, läuft es meist auf irgendwelche Portale hinaus, die von jemandem betrieben werden – inklusive Board-Regeln.
Im Darknet läuft es anders. Da können Leute sich ohne jegliche Moderation völlig frei unterhalten. Ihr könnt euch jedoch vermutlich vorstellen, wie sehr das mitunter in Hass und Hetze umschlägt, bis so manche Boards auf 4Chan dagegen wie ein zivilisierter Diskussionskreis wirken.
Drogen und Medikamente werden feilgeboten
„How to buy weed on the darknet” liefert beeindruckende 869.000 Ergebnisse auf Google. Der Grund liegt auf der Hand: Wo Anonymität herrscht, lassen sich hervorragend Dinge verkaufen, die im regulären Netz (oder der analogen Welt) wahlweise illegal oder nur einer bestimmten Gruppe vorbehalten sind.
Damit wären wir in der gigantischen Welt der Drogen und rezeptpflichtigen Medikamente. Einfach gesprochen: Es gibt im Darknet nichts Diesbezügliches, was ihr dort nicht erwerben könntet. In manchen Ländern hat sich das Darknet sogar zu einer ernsthaften Konkurrenz für analoge Dealer entwickelt.
Doch erneut sei neben der allgemeinen Illegalität auf die Gefahren hingewiesen: Gerade in dieser Welt der Anonymousse solltet ihr euch dringend fragen, ob ihr wirklich ein rezeptpflichtiges Medikament nach Herstellerspezifikationen bekommt oder irgendwelche Pillen aus Zucker oder Schlimmerem.
Firmen tauschen geheime Daten aus
Einmal angenommen, ihr habt eine Firma. Dann habt ihr mehr oder weniger umfassende Betriebsgeheimnisse. Nun stellt euch vor, ihr wollt beispielsweise mit einer Partnerfirma solche Interna austauschen, weil das für die Zusammenarbeit unerlässlich ist.
In dem Fall wären die üblichen Wege zwischen E-Mail, Clearnet-Chatprogrammen und sogar der normalen Post vielleicht zu unsicher. Ergo: Ihr geht über das Deep Web und tauscht dort die Informationen aus.
Schusswaffen, Sprengstoff und ähnliche Dinge werden gehandelt
Von der normalen Pistole bis zur Panzerabwehrrakete und Blöcken von Plastiksprengstoff ist der Zugang zu Waffen in den meisten Ländern scharf reglementiert.
Vermutlich werdet ihr jedoch gemerkt haben, dass Kriminelle trotzdem solche Dinge besitzen. Fast immer stammen die Waffen sowieso aus illegalen Quellen. Etwa von Diebstählen aus Militärdepots. Was jedoch den Verkauf anbelangt, ist das Darknet längst „the Way to go“.
Beispielsweise stammten Waffe und Munition des Münchner Amoklaufes 2016 aus dem Darknet. Der Betreiber der Plattform konnte jedoch ermittelt werden und wurde 2018 zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Illegales Filesharing wird im großen Stil betrieben
Anfang der 2000er war illegales Filesharing im Clearnet auf dem besten Weg, die Musik- und Filmindustrie in die Knie zu zwingen – bis diese mit Regierungsunterstützung zum Gegenschlag ausholte.
Heute sind deshalb sämtliche der damals notorischen Plattformen aus dem normalen WWW verschwunden oder erlauben nur noch legales Sharing. Allerdings ist illegales Filesharing deshalb nicht aus der Welt.
Das findet jetzt im Darknet statt. Und es gibt nicht mehr nur Musik und Filme, sondern obendrein wirklich üble Sachen bis hin zu extremer und/oder illegaler Pornografie. Absolute No-Go-Area für euch. Nicht einmal „bloß zum Umschauen“ solltet ihr euch auf solche Plattformen begeben.
Image via stock.adobe.com © tinkerfrost
Artikel per E-Mail verschicken