Die ganze Welt schaut mit angehaltenem Atem auf die Ukraine. Viele Menschen. Organisationen und Unternehmen helfen mit großen Anstrengungen, den Frieden wiederherzustellen. Auch das Hacker-Kollektiv Anonymous hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Ukrainern beizustehen. Nachdem Russland am Donnerstag, den 24. Februar in die Ukraine einmarschierte, erklärte die Gruppe Russland noch am selben Tag den Cyber-Krieg.
Wer sind Anonymous?
Der Name Anonymous kommt vom Imageboard 4Chan. Dort kann man anonym Bilder und Texte austauschen und dort soll sich auch das Hacker-Kollektiv Anonymous geformt haben. Denn, wenn nicht explizit ein anderer Name eingegeben wird, heißt dort jeder Nutzer „Anonymous“.
Mittlerweile wird das Pseudonym von Gruppen und Einzelpersonen genutzt, die sich dem Hacktivismus (Kofferwort aus Hacken + Aktivismus) verschrieben haben. Diese Gruppen sind nur lose verbunden und es gibt keine Hierarchien. Jeder mit technischen Fähigkeiten darf mitmachen. Die Hacker kommunizieren über verschlüsselte Chats und die sozialen Medien. Sie alle verbindet das gemeinsame Ziel der Meinungsfreiheit. Ihr Leitspruch wird meist, je nach Botschaft, ein wenig abgewandelt, doch die Kernbotschaft lautet immer: “Wir sind Anonymous. Wir sind viele. Wir vergeben nichts. Wir vergessen nichts. Rechnet mit uns.”
Das Erkennungszeichen der Hacker ist eine Guy Fawkes Maske, wie sie V in dem Graphic Novel V wie Vendetta trägt. Der maskierte Rächer stellt sich gegen ein korruptes System, einen totalitären Staat und ähnlich sehen sich auch die Anonymous-Hacker. Bereits in der Vergangenheit hatte das internationale Kollektiv sich politisch engagiert und für seine Ziele online und offline gekämpft. So wurde nach dem Anschlag in Paris 2015 dem Islamischen Staat der (Cyber-) Krieg erklärt. Daraufhin hatten sie Konten gehackt und Accounts in den sozialen Medien aufgedeckt. Auch gegen den Ku-Klux-Klan und Scientology gingen die Hacker schon vor.
Und nun?
Und nun auch Russland. Die Gruppe von Hackern erklärte noch am selben Tag als Russland in die Ukraine einmarschierte dem Land den digitalen Krieg. „Wir alle leiden, während böse Männer und Frauen diesen Planeten regieren“, hieß es auf Twitter. Da es keinen offiziellen Twitter-Account oder ähnliches gibt, ist es schwierig, das Kollektiv zu zitieren. Ihren Worten ließen die Hacker allerdings sogleich Taten folgen. Bereits am Freitag gaben sie an, die wichtigsten Regierungsseiten und Kreml-freundlichen Nachrichten gehackt zu haben. Am Wochenende ließen sich die Regierungsseiten nicht mehr öffnen, nachdem großflächige DDoS-Attacken durchgeführt worden waren. DDoS steht für Distributed Denial of Service (verteilte Dienstverweigerung). Hierbei verweigert eine Seite den Dienst, lässt sich nicht mehr benutzen und stürzt schlimmstenfalls sogar ab. DDoS-Angriffe sind die effektivere Version von DoS-Angriffen. Bei DoS-Angriffen wird von einem einzelnen System aus angegriffen. Dieses sendet wiederholt große Mengen von Anfragen an eine Webseite, sodass die regulären nicht mehr oder nur sehr langsam bearbeitet werden können. DDoS-Attacken sind insofern effektiver, dass die Attacke auf viele Systeme verteilt ist. Hierfür werden meist Botnetze genutzt, die eine große Zahl von gekaperten Computern gegen eine Seite richten.
Darüber hinaus wurde noch Russia Today (RT), einer der größten russischen Propagandasender, von Anonymous vom Netz genommen. Auf der Internetseite einer anderen Tageszeitung erschien das Banner des Hackerkollektivs zusammen mit der Nachricht: “Wir fordern Sie dringend auf, diesen Wahnsinn zu stoppen, schicken Sie Ihre Söhne und Ehemänner nicht in den sicheren Tod. Putin bringt uns zum Lügen und bringt uns in Gefahr.” Auf wieder anderen Webseiten erschienen nur noch Fehlermeldungen. Auch das russische Staatsfernsehen wurde gehackt und zeigte auf allen Kanälen ein Video von den Zuständen in der Ukraine. Am Montag waren viele der Schäden wohl wieder behoben, aber die Nachrichten haben sicherlich einige Bürger Russlands erreicht.
Aufruf der ukrainischen Regierung
Bereits am 26.2.2022 hatte der ukrainische Vize-Regierungschef auf Twitter von einer Cyber-Armee gesprochen. Diese IT-Armee solle dann gegen russische Online-Attacken vorgehen, es gäbe Aufgaben für alle. Am Montag gab es dann eine offizielle Bitte der ukrainischen Regierung um Hilfe: „Wenn Sie Informationen über Schwachstellen in der russischen Cyberabwehr (Bugs, Backdoors, Anmeldeinformationen) besitzen, melden Sie diese bitte“. Anonymous schützt und spioniert aber nicht nur, sondern greift gezielt russische Kommunikationsmittel an.
Widerstand für Laien
Auf Twitter rief die Hacker Gruppe dazu auf, Google Maps zu nutzen, um auf den Krieg aufmerksam zu machen. Man solle sich ein Restaurant in Russland suchen, eine ein- oder fünf-Sterne-Bewertung abgeben und als Kommentar eine Nachricht, die über den Krieg aufklärt, verfassen. Es gibt einen vorgefertigten Text auf Russisch, den man kopieren konnte, viele Menschen haben sich aber auch eigene Texte ausgedacht, aus Angst, die Ähnlichkeit könnte sie leichter zu löschen machen. Der vorgefertigte russische Text wurde von einem hilfsbereiten Nutzer korrigiert und lautete übersetzt ungefähr: “Das Essen war großartig! Leider hat Putin unseren Appetit zerstört, indem er in die Ukraine einmarschierte. Widersetzt euch eurem Diktator, hört auf, Unschuldige zu töten! Eure Regierung belügt euch. Steht auf!” Wie viel das letztendlich bringt, ist fraglich, aber es hilft gegen das Gefühl der Ohnmacht, überhaupt etwas zu tun.
Außerdem hat Anonymous noch eine Anleitung auf Twitter veröffentlicht, wie man auch völlig ohne technische Kenntnisse helfen könnte. Allerdings warnten sie davor, als Laie bei den illegalen DDoS-Attacken mitzumachen. Denn diese könnten leicht zurückzuverfolgen sein, wenn man sich nicht mit den entsprechenden Verschlüsselungsmaßnahmen auskennt und sind strafbar.
In einem Tweet, der mittlerweile entfernt wurde, hatten die Hacker des Weiteren E-Mail-Adressen und Telefonnummern der Mitarbeiter des russischen Verteidigungsministeriums veröffentlicht. Neben einem Aufruf zu Angriffen dieser Konten überlegten sich viele der Nutzer, was man noch mit solchen Adressen anstellen könne. Einer schlug vor, sie voll zu spammen und für Trump Kampagnen in Newsletter einzutragen.
Im Zuge des Ukraine-Krieges haben wir noch weitere Artikel geschrieben. Unter anderem erklären wir was Elon Musks Satelliten-Internet Starlink ist und worum es sich beim SWIFT-System handelt. Unsere Gedanken sind bei den Menschen in der Ukraine und wir hoffen auf ein baldiges, friedliches Ende.
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