Ein großes Beben an der Börse zum Auftakt der Woche. Das KI-Startup DeepSeek sorgte vor allem bei Chiphersteller Nvidia für einen großen Kurseinbruch von 17%. Die Aktie verlor an einem Tag 600 Milliarden US-Dollar an Börsenwert – ein Rekord. Medial wird der Tag zunächst als ein möglicher „Sputnik-Moment“ im KI-Rennen gesehen. Doch was ist DeepSeek genau und warum hat es die Nvidia-Aktie so besonders stark erwischt?
DeepSeek: Eine besonders günstige KI-Alternative
Was DeepSeek besonders macht, ist dass die Nutzung deutlich weniger Rechenpower benötigt als die etablierte Konkurrenz. Dafür sorgt eine innovative Nutzung von „inference-time computing“, um für jede Anfrage nur die nötigsten Teile des Modells aktiviert. Die Basis sind laut dem DeepSeek V3 Technical Report Nvidias H800-Chips die entgegen der höheren Nummer eine deutlich schwächer Leistung als der beliebtere H100 haben.
DeepSeek konnte sein Modell allerdings nicht nur für nur 5,5 Millionen US-Dollar trainieren, sondern hat auch deutlich weniger Kosten im Betrieb. Die API-Nutzung von DeepSeek-R1 startet bei 0,14$ für 1 Million Token (rund 750.000 Wörter). Die selbe Tokenzahl in OpenAIs o1-Modell kosten dagegen 7,50$.
Das ist ein riesiger Gamechanger, vorausgesetzt die Qualität von DeepSeek kann tatsächlich mit dem aktuellsten ChatGPT-Modell mithalten. Zum einen ist der Preis deutlich attraktiver, zum anderen lassen sich einfacher weitere Rechenkapazitäten bereitstellen und der bereitzustellende Energiebedarf ist bei gleicher Nutzung deutlich geringer.
Wie finanziert sich DeepSeek?
DeepSeek wird vor allem von High-Flyer finanziert, einem Hedgefonds des Gründers Liang Wenfeng. Risikokapital-Firmen hatten kein großes Interesse, weil sie keinen zeitnahen Gewinn in einer Investition vermuteten. High-Flyer wird allerdings auf ein verwaltetes Vermögen von 7 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Wer ist DeepSeek-Gründer Liang Wenfeng?
Liang Wenfeng, geboren 1985 in Zhanjiang, Guangdong, ist ein chinesischer Unternehmer und Pionier im Bereich der künstlichen Intelligenz. Er erlangte sowohl seinen Bachelor- als auch seinen Masterabschluss in Ingenieurwissenschaften an der Zhejiang-Universität. Seine Masterarbeit befasste sich mit Algorithmen zur Zielverfolgung für kostengünstige PTZ-Kameras.
Im Jahr 2015 gründete Wenfeng gemeinsam mit Kommilitonen den quantitativen Hedgefonds High-Flyer, der künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen für Investitionsstrategien einsetzt. Unter seiner Führung wuchs das verwaltete Vermögen des Fonds auf über 10 Milliarden Yuan an.
2023 rief Liang das KI-Startup DeepSeek ins Leben, dass nun durch sein ressourceneffizienten KI-Modells internationale Aufmerksamkeit erregt. Trotz des Erfolgs von High-Flyer und DeepSeek hält sich Wenfeng medial sehr zurück und gibt nur selten Interviews.
Ist DeepSeek eine kostenlose ChatGPT-Alternative?
Ja, ihr könnt DeepSeek aktuell kostenlos nutzen und es gibt keine Einschränkungen für den deutschen Markt. Ihr müsst euch lediglich mit eurer E-Mail bei DeepSeek registrieren. Es gibt auch kein festes Limit an Prompts pro Stunde. Erst für die professionelle Nutzung über die API kostet, unterbietet ChatGPT und Co aber um ein vielfaches. Bilder kann DeepSeek noch nicht erstellen und hat auch sonst noch deutlich weniger Features.
Hier gelangt ihr zu DeepSeek
Apple: DeepSeek im App Store runterladen
Android: DeepSeek im Google Play Store runterladen
Browser: Zur Browser-Version von DeepSeek
DeepSeek ist Quelloffen aber zensiert
Bei der Gründung positionierte sich OpenAI als noch als Open-Source-Non-Profit-Organisation. Mittlerweile hat sich OpenAI trotz des eigenen Namens vom Open Source verabschiedet. DeepSeek punktet dadurch umso mehr, dass es tatsächlich Open Source ist. Während OpenAI sich zunehmend von non-profit zu for-profit wandelt, um Investoren mehr Anreize zu liefern, sieht DeepSeek die eigene Aufgabe mehr in der Grundlagenforschung statt im Profit.
Auf der anderen Seite muss man DeepSeek trotzdem mit einer gesunden Portion Vorsicht genießen. Zu regierungskritischen Themen wie etwa dem Tian’anmen-Massaker liefert die KI keine Antwort. Teilweise werden Antworten zwar generiert aber kurz danach durch eine andere Antwort ersetzt die behauptet, dass die Anfrage über die aktuellen Möglichkeiten des Modells hinaus geht und man etwas anderes fragen soll. Findige Nutzer haben die KI allerdings auch schon ausgetrickst, indem die KI etwa A durch 4 und E durch 3 austauschen ließen oder die Frage mit Punkten zwischen den Buchstaben gestellt haben.
Warum ist die Nvidia-Aktie abgestürzt?
Aktuell ist Nvidia der große Gewinner des KI-Hypes. Nicht die Grafikkarten, sondern vor allem die KI-Chips haben dafür gesorgt, dass der Wert der Nvidia-Aktie sich seit Januar 2023 ungefähr verzehnfacht und Nvidia an Alphabet, Amazon, Apple und Microsoft vorbei zum wertvollsten Unternehmen der Welt wurde. Gerade darum ist der Aktienkurs aber besonders anfällig, wenn irgendetwas den KI-Markt erschüttert.
Der Erfolg von DeepSeek ist so eine Erschütterung, da die App nicht nur auf dem chinesischen Markt, sondern auch international etwa Apples App Store dominiert. Zwar nutzt auch DeepSeek eigentlich Nvidia-Chips, doch das besonders resourcensparende KI-Modell zeigt, dass man nicht zwingend riesige Rechenkapazitäten für eine gute KI braucht und auch nicht die topaktuellsten Chips um diese zu trainieren. Da der Handel mit Nvidia-Chips nach China eingestellt ist könnten künftig auch Chips chinesischer Produktion für DeepSeek zum Einsatz kommen.
Nvidia und OpenAI gratulieren
Die Reaktionen der großen US-Unternehmen ist trotz des Absturzes der Nvidia-Aktie zumindest nach außen hin eher entspannt.
Gegenüber Bloomberg bezeichnete Nvidia DeepSeek als „ausgezeichneten KI-Fortschritt“, der auch mit dem US-Handelsrecht konform geht. Für Nvidia dürfte es aber ohnehin zunächst kaum Auswirkung haben. Die Nachfrage ist aktuell größer als Chips produziert werden und sparsamere Modelle sorgen langfristig wohl eher für eine schnellere Weiterentwicklung bei gleicher Investition.
Doch sogar OpenAI-Gründer und -CEO Sam Altman hat auf X lobende Worte für die neue Konkurrenz. Ihn beeindruckt vor allem die Effizienz von DeepSeek und nimmt die neue Konkurrenz als belebend wahr. OpenAI scheint motiviert, nun selbst mit besseren Modellen gegenzuhalten.
Herausforderungen für DeepSeek im westlichen Markt
Auch wenn DeepSeek mit seinem Erfolg für mächtig Wirbel gesorgt hat, dürften noch einige Hürden für den westlichen Markt entstehen. Die Zensur ist ein idealer Aufhänger den Zugriff in den USA einzuschränken. Die Handelsbeziehungen zwischen USA und China sind sehr angespannt und einige Waren und Unternehmen sogar komplett ausgeschlossen. Das war unter anderem der Grund, weshalb man nur die runtergedampften H800-Chips von Nvidia bekam – die mittlerweile auch nicht mehr nach China verkauft werden.
Sogar die Video-Plattform TikTok ist kurz davor endgültig in den USA gesperrt zu werden. Selbst wenn es wie bei TikTok eine andere Version für den US-Markt gäbe, muss das nicht heißen, dass sie vor einem Verbot sicher ist – vor allem wenn sie eine wirtschaftliche Konkurrenz darstellt.
Im EU-Raum sieht sich DeepSeek dagegen mit dem AI Act konfrontiert. Das 2024 verabschiedete Gesetzespaket stellt erste Anforderungen an KI-Modelle und befindet sich nun in der Umsetzung in den EU-Mitgliedsstaaten. Hier nimmt die EU eine weltweite Vorreiterrolle ein und könnte künftig durch die Größe des gemeinsamen Marktes auch Einfluss auf internationale KI-Unternehmen haben.
Image via ChatGPT (KI-generiert)
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