Wer am 07. September die Vorstellung des neuen iPhone 14 verfolgt hat, dürfte sich nur eins fragen: Warum? Apple hat ein beinahe identisches Gerät enthüllt, das praktisch keine Veränderungen zum Vorjahresmodell, dem iPhone 13, beinhaltet, die einen Kauf rechtfertigen würden – Und dieses Argument hören wir schon seit Jahren im Bezug auf neue Apple-Smartphones. Doch diesmal dürften sich darin fast alle einig sein. Das neue iPhone beweist, dass neue Technik nicht unbedingt neue Innovation heißt. Weshalb sich die Frage stellt, wozu überhaupt noch neue Geräte kaufen? Die Frage stellen sich immer mehr Menschen auf der Suche nach einem Smartphone. Die Antwort darauf ist neuerdings oft die gleiche: „Kennst du schon Refurbished?“. Wenn ihr auch schon mehrfach über den Begriff gestolpert seid, dann lasst uns euch weiterhelfen.
Wir erklären euch, was Refurbished eigentlich heißt, wieso es eine echte Alternative zu Neugeräten ist und wie es die Transformation unseres Wirtschaftssystems entscheidend mitprägen kann. Und wie ihr euch gleichzeitig beim Kauf eines Refurbished ein Stückchen besser fühlen könnt. Dafür haben wir auch mit dem Country Manager Germany Maurizio Hein von Swappie gesprochen, einem führenden Anbieter für Refurbished-iPhones in Europa, der uns Einblicke in den Markt und das Geschäftsmodell gegeben hat.
Was heißt Refurbished eigentlich?
Zum Einstieg klären wir erstmal die Grundlagen. Denn bei Refurbished handelt es sich nicht um einen geschützten Begriff, der nach klaren Maßen und Vorgaben geregelt ist. Es ist vielmehr die Zuschreibung, dass ein Elektrogerät nach seiner Produktion bereits in einem unbestimmten Maße genutzt wurde und nun nach diesem ersten Lebenszyklus nicht sofort in den Elektroschrott wandert oder ungenutzt in der Schublade rumliegt, sondern eine oder mehrere zweite Chancen erhält, indem es wiederaufbereitet, repariert, gereinigt und/oder reaktiviert wird. Dies bietet mehrere Vorteile. Zum einen könnt ihr bei diesen Geräten bares Geld sparen, da sie meist nicht mehr die aktuellsten sind oder leichte Gebrauchsspuren aufweisen können, was den Preis reduziert. Und auf der anderen Seite schont ihr Umwelt und Ressourcen, denn es muss nicht extra ein neues Handy für euch produziert werden, sondern ihr greift auf bereits vorhandenes Material zurück. Zwei Fliegen mit einer Klappe sozusagen.
Wichtig zu beachten ist hierbei auch die genaue Definition. Ihr seid vielleicht schonmal über Begriffe wie generalüberholt oder aufbereitet gestolpert. Dabei handelt es sich im Grunde auch um Refurbished-Produkte. Was weniger die Definition trifft, ist B-Ware oder Gebrauchtkäufe. Hierbei handelt es sich eher um ausrangierte Modelle, die schon in der Herstellung Fehler aufweisen und dann entweder deswegen vergünstigt im Angebot landen oder als Ausstellungsstücke enden. B-Ware und Gebrauchtgeräte durchlaufen eher selten den umfangreichen Wiederaufbereitungsprozess von Refurbished-Geräten.
Die Aufbereitung von Refurbished Geräten
Damit sind wir schon beim nächsten Punkt, der Wiederaufbereitung. Was passiert hier eigentlich konkret? Wir haben dafür jemanden gefragt, der täglich mit Refurbished zu tun hat. Maurizio Hein ist Country Manager für Deutschland bei Swappie, die Europas Handymarkt mit ihren iPhones auf den Kopf stellen wollen und nach eigener Aussage „den Kauf von Refurbished-Smartphones Mainstream machen wollen“. Das finnische Unternehmen mit Sitz in Helsinki hat sich in den letzten Jahren zum führenden europäischen Anbieter im Refurbished-Bereich für iPhones entwickelt und auch in Deutschland an immer mehr Beliebtheit hinzugewonnen. Jeder Anbieter hat eigene Methoden, wie er die Modelle wieder in die bestmögliche Ausgangslage bringt, um sie wieder in den Markt zu reintegrieren. Bei Swappie gibt es dafür 52 Schritte, die eine Qualitätssicherung garantieren sollen. Maurizio hat in unserem Podcast Tech & Trara einmal den Weg eines Swappie-iPhones beschrieben:
„Das Erste, was passiert, ist, dass das Gerät erstmal bei uns ans System angestöpselt wird und dann eine Diagnose gefahren wird. Hier lesen wir interne Daten aus, überprüfen, ob das Gerät auf einer Blacklist steht, sprich ob es geklaut wurde, und dann beginnt das Checking. Hier wird das Gerät in 52 Schritten auf Herz und Nieren geprüft. Das sind bspw. Batteriestand & Zyklen, ob alle Touch-Sensoren funktionieren, ist die Kamera intakt, funktionieren alle physischen Tasten und Knöpfe, usw.“
Ab hier gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder das Gerät funktioniert wunderbar, dann wird es noch einmal gereinigt und dann geht es an die ästhetische Beurteilung.
„Sollte es aber ein Problem geben oder etwas defekt sein, dann gibt es einen Reparaturcode und dann geht das Gerät zu unseren eigenen Technikern. Hier wird dann intern bis zur Hauptplatine gecheckt, was getan werden muss. Hier verwenden wir hauptsächlich Originalteile oder hochwertige Ersatzteile und beheben alle technischen Fehler.
Technik hui, Optik pfui?
Sowohl reparierte Geräte, als auch die, die erfolgreich durchs Checking gelangt sind, werden anschließend anhand ihrer optischen, sprich äußeren Merkmale bewertet und bepreist. Dies ist das sogenannte Grading:
„Danach geht es in das Grading. Das ist der Teil, in dem wir den ästhetischen Zustand kategorisieren. Dieser soll den Kund*innen die Möglichkeit geben, sich zu orientieren; wie viele Macken gibt es, möchte ich, dass es wie neu aussieht oder ist mir das nicht so wichtig. Alle Geräte funktionieren unabhängig von der Ästhetik technisch wie neu, nur können je nach Zustand ein paar Macken in der Hülle oder Kratzer vorhanden sein. Hier können Kund*innen entscheiden, wie viel ihnen eine makellose Optik wert ist. Je besser die Optik, desto höher ist dementsprechend der Preis.“
Swappie unterscheidet hier zwischen den Qualitätsstufen:
- „Wie Neu“ (Sehr wenige Gebrauchsspuren, leichte Kratzer)
- „Sehr gut“ (sichtbare Gebrauchsspuren wie Kratzer, Dellen, Schrammen)
- „Fair“ (Tiefe Kratzer, Dellen & Schrammen)
Je nach Grading könnt ihr dabei viel Geld sparen, wenn ihr beispielsweise einfach eine Hülle um euer iPhone anbringt. Aber auch bei „Wie Neu“-Geräten könnt ihr immer noch gute Rabatte erhalten. Das ist eben der Vorteil bei Refurbished, selbst im besten Zustand spart ihr gegenüber den üblichen Bestandsgeräten viele Euro.
Umwelt und Geldbeutel gleichzeitig schonen
Richtig gelesen. Neben den Ersparnissen setzt ihr euch mit einem Refurbished-Smartphone auch aktiv für einen weniger belasteten Planeten ein. Denn laut Apple selbst entstehen bei der Herstellung eines iPhones je nach Gerät 80 – 95% der CO2-Emissionen in diesem Schritt. Wenn ihr nun ein Refurbished-iPhone kauft, vermeidet ihr, dass diese Emissionen erneut freigesetzt werden und schont auch den Verbrauch von Einzelteilen und seltenen Erden, die wiederum auch abgebaut und hergestellt werden müssen. Dieses Konzept nennt man Kreislaufwirtschaft. Die Schlagworte hierbei sind reuse, repair und recycle. Zusammen sorgen sie für eine optimale Ressourcennutzung und verhindern noch mehr unnötige Belastung durch Konsumdrang. Swappie und andere Hersteller setzen aktiv auf Kreislaufwirtschaft und wollen so weg von unserer bisherigen Wegwerfgesellschaft und hin zu einem nachhaltigen Wirtschaftskreislauf. Dieses Konzept ist ein wichtiger Aspekt, um der Klimakatastrophe entgegenzuwirken und den Ressourcenverbrauch zu reduzieren.
Was sind die Vorteile?
Wie bereits erwähnt spart ihr mit Refurbished nicht an Qualität, sondern nur an eigener Zustandspräferenz. Selbst Geräte, bei denen ihr jedes erdenkliche Feature hinzubucht – bei Swappie sind das beispielsweise ein Neuer Akku, den größten verfügbaren Speicherplatz, eine spezielle Farbe oder der Zustand „Wie Neu“ – gibt euch immer noch Ersparnisse im Vergleich zu Neugeräten, ohne wirkliche Nachteile zu haben. Und im Gegensatz zu gebraucht-Geräten von anonymen Anbietern habt ihr hier die Sicherheit und Garantie, keine Mangelware zu erhalten oder das etwas nicht in Ordnung sein sollte.
Und dann ist da noch die Gewissheit, CO2-Emissionen zu vermeiden und nachhaltig zu shoppen. Ein Punkt, der für Konsument*innen und Unternehmen im gleichen Maße zugenommen hat. Swappie spricht davon, dass sich „Preis- und Umweltbewusstsein nicht gegenseitig ausschließen.“
Gibt es auch Nachteile?
Es gibt Dinge, die ihr beachten solltet, falls ihr mit der Idee spielt, euch ein Refurbished-Smartphone zu kaufen. Der wichtigste Aspekt für euch sollte sein, einen seriösen Anbieter für die Geräte zu finden. Denn wenn ihr an die falschen Händler geraten solltet, ist nicht garantiert, dass euer Smartphone auch so funktioniert, wie ihr es gern hättet. „Der Punkt ist, es ist vieles noch eine große Blackbox in diesem Markt. Man sollte einen Anbieter wählen, dem man vertraut“, sagt auch Maurizio Hein. Doch woran erkenne ich einen solchen Anbieter?
„Wie früher bei Autoherstellern und dem Gebrauchtwagenkauf ist das größte Interesse auf Seiten der Käufer*innen immer bei der Verwendung von Originalteilen. Und hier versuchen wir, so viele Originalteile wie möglich zu nutzen. Wenn es nicht möglich ist, nutzen wir intensiv geprüfte Teile, die speziell bei iPhones optimal funktionieren. Zusätzlich garantieren wir Kund*innen eine Herstellergarantie von 36 Monaten und gewährleisten so, dass ihr immer ein funktionierendes Gerät habt oder euer Geld zurückbekommt.“
Und solche Garantien solltet ihr beachten, wenn ihr Refurbished kauft. Andere Händler wie rebuy, backmarket oder refurbed bieten ebenfalls mehrjährige Garantien an, die euch zusätzlich bei einem Kauf absichern. Also versucht vor einem Kauf zu überprüfen, ob der Anbieter eurer Wahl möglichst Originalteile verwendet und zusätzliche Qualitätssicherungen wie Garantie und interne Reparatur bereitstellt. Dann solltet ihr auf der sicheren Seite sein.
Ein Markt mit unglaublichen Wachstumspotenzial
Der Markt für Refurbished-Geräte ist enorm und noch lange nicht auf seinem Höhepunkt. Der Umsatz von Smartphones betrug im letzten Jahr 500 Milliarden weltweit. Davon waren 11% Gebraucht- und Refurbished Geräte. Laut Maurizio Hein prognostiziert der IDC-Report ein jährliches Wachstum von 11% im sogenannten Recommerce-Markt bis 2024 – Tendenz steigend. Je größer der Refurbished-Markt, desto weniger Neugeräte geraten in Umlauf. Und desto weniger CO2 Emissionen und Ressourcen werden bei der Herstellung verbraucht.
Um dieses Umdenken auch beim Gesetzgeber zu verankern, wurde die Initiative Right to Repair ins Leben gerufen. Hierunter versammeln sich bisher über 80 Organisationen und Firmen in ganz Europa. Und die machen sich dafür stark, Elektrogeräte auch möglichst reparierbar zu gestalten. Dies beginnt bei den Herstellern, zieht sich zu den Reparaturanbietern und letztlich auch zu den Konsument*innen hindurch. Die Kampagne tritt für ein universelles Recht auf Reparatur ein. Auch Swappie beteiligt sich an dieser Aufklärungskampagne, die auch deren Geschäftsmodell zugänglicher und nachhaltiger macht: „Damit Geräte aber länger halten, müssen sie auch besser reparierbar sein.“
Schätze in der Schublade
Doch es ist nicht so, als wäre dies aktuell das Hauptproblem für das Unternehmen und andere Refurbished-Anbieter. Und wer denkt, Hersteller wie Apple, die selbst Refurbished-Geräte anbieten, wären eine Konkurrenz für diese Branche, der irrt sich. Hier gibt es ganz andere Schwierigkeiten:
„Die Nachfrage ist da, aktuell können wir gar nicht so schnell Altgeräte ankaufen und wiederaufbereiten, wie wir sie verkaufen könnten. Die größte Herausforderung ist aktuell die Akquise von Altgeräten.“
Denn laut einer Studie aus dem Jahr 2019 für das European Economic and Social Committee (EESC) gibt es in Deutschland allein über 124 Millionen ungenutzte Altgeräte in Privathaushalten. Viele davon sind zwar nicht mehr aktuell oder brauchbar, doch allein die darin enthaltenen Ersatzteile und Ressourcen würden eine Wiedereingliederung in den Wirtschaftskreislauf fördern und Elektroschrott recyclen. Wenn ihr euch jetzt ertappt fühlt, dann überlegt doch einmal, ob ihr nicht auch noch Geräte zuhause habt, die ihr recyclen oder zu Geld machen wollt. Denn viele Refurbished-Anbieter geben euch die Möglichkeit, eure Altgeräte einzusenden. Nach einer Begutachtung des Zustandes und der Funktionsfähigkeit könnt ihr damit zusätzlich Geld beim Gerätekauf sparen. Und wenn nicht, dann habt ihr immerhin wieder Geräte in die Kreislaufwirtschaft zurückgeführt.
„Den Konsument:innen muss immer wieder vor Augen gehalten werden, dass sie durch Verkauf und Recycling einen wichtigen Beitrag leisten können und auch finanziell noch davon profitieren können.“
Refurbished sind ernsthafte Alternativen zu Neumodellen
Laut der Studie für das EESC ist aktuell besonders die Preisersparnis eine Kaufentscheidung für Refurbished. Nur 20% kaufen Refurbished aufgrund der Umweltaspekte. Und das ist angesichts von Inflation, den steigenden Energiepreisen und drohender Wirtschaftskrise kein verwunderliches Argument. Refurbished bietet den Konsument*innen neben dieser rein materialistischen Entscheidung aber auch das gute Gefühl an, Teil eines Systems zu sein, dass auf Kreislaufwirtschaft, Lebenszyklusverlängerung und Ressourcenschonung setzt, anstatt auf das gängige Wegwerfsystem einzuzahlen.
Und keine Sorge um eure Daten. Die Anbieter löschen immer als erstes die vorhandenen Daten auf den eingesendeten Geräten und sehen diese nie ein. Wichtig ist nur, dass ihr euch an seriöse Verkaufsstellen wendet, die Garantien anbieten, möglichst Originalteile verwenden und Altgeräte akzeptieren. Ob Swappie, rebuy und Co., für wen ihr euch entscheidet, liegt an euch. Wollt ihr lieber ein iPhone, ein Android-Smartphone oder doch lieber einen Laptop. Die Anbieter bieten unterschiedliche Modelle an und daher lohnt sich ein Vergleich immer.
Bilder: @123RF.com
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