Die Temperaturen werden wärmer und die Luft wird trockener. Auch hier in Deutschland spüren wir mittlerweile die Folgen des Klimawandels mit neuen Rekordtemperaturen. Doch die höheren Temperaturen bedeuten nicht nur mehr Schweißflecken, sondern bringen größere Problematiken mit sich.
Es wird immer wichtiger für uns, neue und innovativen Methoden zu finden Nahrung zu pflanzen, da Pflanzen das warme Wetter auch nicht leiden können. Im Zuge dessen hat sich das Vertical Farming als richtige Alternative zu der herkömmlichen Landwirtschaft gemausert. Doch was genau ist eigentlich Vertical Farming? Wir schauen uns das Konzept der „urbanen Landwirtschaft“ an und erklären euch, warum ihr diesen Begriff auch in Zukunft wohl noch öfter hören werdet.
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Das Konzept des Vertical Farming
Den Begriff „Vertical Farm“ prägte der U.S.-amerikanischen Wissenschaftler Dr. Dickson Despommier, in seinem 2010 erschienene Buch „The Vertical Farm: feeding the world in the 21st Century“. Dort beschrieb Dr. Despommier zunächst das Konzept der Vertical Farm. Die Idee hinter den Vertical Farms ist dabei aber keine neue. Die Idee ruht auf dem Konzept der Hochhäuser. Genau wie Hochhäuser viele Menschen unterkommen lassen, in dem sie vertikal in die Höhe gebaut werden, sollen Vertical Farms es gestatten, mehr landwirtschaftliche Erzeugnisse auf einer kleineren Fläche Boden zu erzeugen. Zudem sollen Nutzpflanzen dank der Pflanzung in Innenräumen das ganze Jahr über angebaut werden.
Im Grunde kann man sich das Konzept von Vertical Farming als eine Aufstapelung von vielen Gewächshäuser vorstellen. Als einer der ersten Pioniere des Vertical Farming gilt der Maschinenbauingenieur Othmar Ruthner, der 1965 seine sogenannten Turmgewächshäuser erbauen ließ.
Was sind die Vorteile des Vertical Farming?
Die Nahrungsproduktion ist der Hauptpunkt, der das Vertical Farming vorantreibt. Die Bevölkerung auf der ganzen Welt wird immer größer, was bedeutet, dass natürlich mehr Nahrung benötigt werden. Platz für Ackerfläche ist jedoch begrenzt verfügbar. Diese muss für mittlerweile fast 8 Milliarden Menschen reichen. Bis 2060 soll diese sogar auf mehr als 10 Milliarden Menschen anwachsen. Die Nutzfläche vertikal in die Höhe zu bauen, kann helfen neuen Platz zu schaffen – auch an Orten wo der herkömmliche Anbau kaum möglich ist.
Vorteilhaft bei Vertical Farming Anlagen ist, dass es sich bei ihnen um riesige Gewächshäuser handelt. Das bedeutet, dass die Vertical Farms vor wetterbedingten Ernteausfällen geschützt sind. Besonders mit dem Klimawandel haben sich nicht nur extreme Dürren gebildet, sondern auch große Überschwemmungen und Kälteperioden. Das Vertical Farming könnte also auch in Orten eingesetzt werden wo normalweise keine Landwirtschaft aufgrund der Wetterbedingungen möglich wäre.
Zudem können Vertical Farms in der Theorie für die Umwelt schonender sein. Da Vertical Farming weniger Nutzfläche nötigt, muss im Umkehrschluss weniger neue Nutzfläche erschlossen werden. Somit kann besonders Ackerfläche in Naturgebieten wieder bewaldet werden, was sich positiv auf den Klimawandel und den Wildtierbestand auswirken kann. Außerdem würde das Vertical Farming aufgrund der Nähe zu urbanen Lebensräumen eine Reduktion der CO2-Werte mit sich ziehen, da die Transporte um einiges kürzer ausfallen.
Wo betreibt man Vertical Farming?
Das fantastische an dem Konzept des Vertical Farming ist, dass es überall funktionieren kann. Erst vor wenigen Wochen hat Dubai die größte Vertical Farming Anlage der Welt eröffnet. Wo sonst Landwirtschaft undenklich wäre, ist es nun möglich Nahrung anzupflanzen.
Auch Supermärkte und Discounter versuchen das Konzept des Vertical Farming in ihren Filialen einzubauen. Seit 2019 kooperieren immer mehr Filialen von Aldi Süd, Rewe, Edeka und Kaufland mit dem Unternehmen Infarm. Das Berliner Start-up Unternehmen baut für ihre Kunden sogenannte „Growing Center“. Diese sind kleinere Vertical Farm Anlagen, die genutzt werden, um landwirtschaftliche Erzeugnisse zu produzieren. Die Filialen nutzen die Growing Center, um Kräutersorten und Pflücksalate heranzuwachsen, die sie dann zum Verkauf anbieten. Infarm möchte 2023 auch eine etwa 10.000 Quadratmeter große Vertical Farm in Katar eröffnen, die es gestatten soll Nahrung, in dem sonst landwirtschaftlich schwachen Land, anzubauen.
Welche Technologien nutzt Vertical Farming?
Zunächst nutzt Vertical Farming die Technologien von Gewächshäusern und Wolkenkratzern, schließlich handelt es bei Vertical Farms um „Wolkenkratzer Gewächshäuser“. Eine wichtige Technologie, die eingesetzt wird, ist die der Tröpfchenbewässerung. Bei der Tröpfchenbewässerung handelt es sich um eine Bewässerungstechnik, bei der an Schläuchen in regelmäßigen Abständen eine bestimmte Wassermenge abgegeben wird. Dieses Verfahren spart Wasser und erlaubt es ideale Bedingungen für verschiedene Nutzpflanzen zu schaffen.
Eine weitere Technik, die vermehrt zum Einsatz kommt, ist das Kompostieren. Einer der großen Vorteile der Vertical Farms, ist neben der Bündelung der landwirtschaftlichen Prozesse auch, dass das Düngen des Bodes um einiges leichter und sparsamer ist. Das Düngen ist ein essenzieller Bestandteil der Landwirtschaft, denn dabei werden wertvolle Nährstoffe in den Ackerboden der Pflanzen eingesetzt, die den Pflanzen helfen zu wachsen. In der herkömmlichen Landwirtschaft ist dieser Prozess teils sehr aufwendig und klimaschädlich, denn oft sind Ackerflächen so arg ausgelaugt durch das wiederholte Anbauen von Nutzpflanzen, dass Nährstoffe manuell hinzugefügt werden müssen. Dies geschieht oft durch sogenannte Stickstoffdünger, die in Verbindung zu Klimaschäden stehen.
Bei dem Vertical Farming ist dies jedoch nicht nötig und man kann auf das Kompostieren zurückgreifen. Dabei nutzt man natürliche Abfälle der Landwirtschaft und erzeugt Dünger für die neue Ernte. In der herkömmlichen Landwirtschaft kommt dies jedoch nicht oft zum Einsatz, da das Kompostieren zeitintensiver ist und weniger Fläche abdecken kann. Da beim Vertical Farming die Pflanzen in ihren eigenen kleinen Bodenflächen sitzen, ist die Menge an Dünger, die man benötigt um einiges geringer und das Kompostieren ist eine richtige Alternative zu herkömmlichen Dünger geworden.
Wieso ist Vertical Farming nicht beliebter?
Veränderung braucht Zeit. Vertical Farming ist keine Neuheit, dennoch lassen viele noch auf sich warten was die Akzeptanz angeht. Hauptgrund hier ist, wer hätte es gedacht, die Kosten. Vertical Farming ist nicht günstig, da der Bau der Anlagen, als auch die Instandhaltung, Kosten mit sich bringen. Denn die Technologie der Vertical Farms ist bei weitem noch nicht ausgereift. Seit nun über zehn Jahren hat befindet sich die Entwicklung des Vertical Farming in einer konstanten Welle von höhen und Tiefen.
So hat das Unternehmen Plantagon 2012 bekannt gegeben, dass es zusammen mit dem Energieunternehmen Tekniska Verken eine gewaltige Anlage bauen wollte, bei der die Abwärme von Müllverbrennungs- und Biogasanlage genutzt werden sollte, um die Anlage zu betreiben. Im Umkehrschluss sollten die natürlichen Abfälle genutzt werden, um die Anlagen anzutreiben. Dazu kam es jedoch nicht, da sich herausstellte, dass die Technologien noch nicht ausgereift genug waren und das Konzept bleibt bis heute nur eine Idee.
Ein weiterer Grund warum Vertical Farming selten zum Einsatz kommt sind die hohen Energiekosten. In den Vertical Farms werden ideale Bedingungen für den Wachstum der Pflanzen künstlich geschaffen und dies geschieht mit Hilfe von technischen Prozessen, wie der Tröpfchenbewässerung oder von Prozessen, die beispielsweise die Luftfeuchtigkeit, die Temperatur oder die Lichtverhältnisse regeln. Diese laufen konstant und benötigen stetig Energie, somit können schnell riesige Menge an Energiekosten anfallen. Rund 10 Kilowattstunden werden benötigt um ein Kilo Nahrung in Vertical Farms anzubauen.
Als Beispiel: In der herkömmlichen Landwirtschaft fallen nur 0,3 Kilowattstunden für die selbe Menge Nahrung an. Der Durchschnittsdeutsche verbraucht außerdem ca. 1300 Kilowattstunden pro Jahr und isst ca. 330kg Nahrung im Jahr. Wenn nun all diese Nahrung durch Vertical Farming bezogen werden würde, würde dass einen weiteren Verbrauch von über 3300 Kilowattstunden pro Person bedeuten. Mit der aktuellen Situation der Energieversorgung ist dies nicht realisierbar. Die originelle Idee von Plantagon zusammen mit Energieunternehmen eine Art Symbiose zwischen Vertical Farms und Energieanlagen zu schaffen könnte ein wichtiger Schritt sein das Energieproblem zu bewältigen. Im unteren Video könnt ihr euch diese Idee noch einmal anschauen.
Welche Entwicklungen gibt es beim Vertical Farming?
Auch wenn Vertical Farming mit dem Problem der Kosten für Bau und Energie zu kämpfen hat, bedeutet dies noch lange nicht, dass es keinerlei Entwicklungen gibt. Mittlerweile haben sich einige verschiedene Formen von Vertical Farming herausentwickelt, die vielversprechende Ergebnisse liefern.
Hydroponic Farming
Das Hydroponic Farming ist eine Form des Vertical Farming, bei dem Nutzpflanzen per Dauerbewässerung gezüchtet werden. Heißt, dass die Nutzpflanzen nicht in herkömmlicher Erde sitzen sondern komplett in Wasser, dabei werden die Pflanzen durch das Wasser mit Sauerstoff und wertvollen Nährstoffen versorgt. Was Hydroponik so einzigartig macht ist, dass das verwendete Wasser zurück in den Kreislauf fließt und man es somit wiederverwertet. Dies bedeutet, dass man enormen Mengen an Wasser spart.
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Aquaponic Farming
Bei dem Aquaponic Farming handelt es sich um eine weitere Form von Hydroponic Farmen. Der Unterschied ist jedoch, dass man nicht nur Pflanzen sondern auch Fische in der selben Anlage züchtet. Klingt komisch aber hat aber einen großen Vorteil. Denn: Die Abfälle, die bei der Fischzucht entstehen beinhalten Nährstoffe, die man nutzen kann um damit die Pflanzen zu versorgen. Aquaponic Farming hat den Vorteil gegenüber herkömmlichen Hydroponic Farmen, dass hier kein extra Dünger in das Wasser gegeben wird, um die Farm zu starten. Somit entsteht eine Symbiose aus zwei Farmen.
Aeroponic Farming
Das Aeroponic Farming ist ebenfalls eine Form des Hydroponic Farming. Hier ist der Unterschied der, dass die Pflanzen in einem eigenen Gefäß sitzen, dass mit Wasser und Nährstoffen versetzt ist. Diese Methode eignet besonders zum Pflanzenanbau unter Bedingungen, bei denen wenig oder keine Schwerkraft vorhanden ist, also in der Weltraumfahrt. Hier auf der Erde findet Aeroponic Farming hauptsächlich bei der Stecklingsbewurzelung Anwendung, denn bei dieser Methode wachsen die Wurzeln stärker und schneller als die oberirdischen Teile.
Deep Farming
Bei Vertical Farmen muss nicht immer vertikal in der Höhe gebaut werden, es kann auch unterirdisch gebaut werden. Bei Deep Farms handelt es sich um sanierte unterirdische Tunnel oder stillgelegte Minenschächte. Da die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit im Untergrund in der Regel gemäßigt sind, benötigen Deep Farms weniger Energie zum Heizen. Deep Farms können auch nahe gelegenes Grundwasser nutzen, um die Kosten der Wasserversorgung zu senken. Trotz niedriger Kosten kann eine Deep Farm sieben- bis neunmal mehr Nahrung produzieren als eine konventionelle Farm über der Erde auf derselben Landfläche. Einziger Nachteil ist, dass es nur begrenzte unterirdische Tunnel und stillgelegte Minenschächte gibt und das Bohren von neuen Tunneln hohe Kosten mit sich bringt.
Fazit – Veränderung muss kommen
Eins ist sonnenklar: Die Temperaturen werden uns auch weiterhin nicht nur zum Schwitzen bringen. Schon heute wird der Anbau von Pflanzen schwieriger. Auch der CEO von Infarm, Erez Galonska sagt klar: „Das derzeitige Lebensmittelsystem ist nicht mehr tragfähig. Die vertikale Landwirtschaft bietet eine nachhaltige Lösung, um eine wachsende Bevölkerung auf eine Art und Weise zu ernähren, die weitaus besser für den Planeten und angesichts klimatischer Unsicherheiten und Schwierigkeiten bei Lebensmittellieferketten deutlich widerstandsfähiger und flexibler ist.“ Die Aussage von Galonska ist direkt und bringt die Stärke des Vertical Farmings auf den Punkt. Auch erlaubt das Vertical Farming Landwirtschaft in Orten auf der Welt zu betreiben, wo sonst diese niemals möglich wäre, wie in Dubai oder Qatar. Die Weiterentwicklung von Technologien läuft noch schleppend, doch nur durch die konstante Implementierung und Förderung von Vertical Farm-Anlagen werden diese auch in Zukunft besser, effizienter und billiger werden. Veränderung muss kommen.
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