Web-Highlights 2012 – Im Gespräch mit Deutschlands Webbies (Teil 4)

Im aktuellen Netzpiloten Boarding Call fragen wir Experten, was deren Web-Highlight im Jahre 2012 gewesen ist. Heute mit dabei: Leander Wattig und Inken Meyer.

Das Jahr 2012 war wieder einmal ein bewegendes Jahr. Der Viral „Kony 2012“, war das erste Internetvideo, das innerhalb von fünf Tagen 70 Millionen Mal aufgerufen wurde. Facebook hat die Nutzer-Milliarde durchbrochen und Redbull zusammen mit Felix Baumgartner sämtliche YouTube-Rekorde auf einen neuen Höchststand katapultiert. Doch was hat deutsche Webbies, neben diesen Meldungen der Superlative noch so bewegt? Wir haben einige Web-Influencer gefragt: „Was war dein diesjähriges Highlight im Web?“


 

Leander Wattig (leanderwattig.de)

Was haben wir 2012 unter anderem erlebt? Facebook zieht die Schrauben an und optimiert seine Plattform in Richtung Monetarisierung – zu Ungunsten der Nutzer. Twitter trocknet eben jenes Ökosystem aus, das die Plattform groß gemacht hat, und versucht ein Medienunternehmen mit Facebook-Universal-Anstrich zu werden. Google ist auch zumindest ein bisschen mehr „evil“ geworden. Zudem werden die ersten großen Zeitungen wie die Frankfurter Rundschau und die Financial Times Deutschland sowie etliche Zeitschriftentitel dicht gemacht. Nicht zuletzt diskutieren wir allen Ernstes über ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Vor diesem Hintergrund ist mein Web-Highlight 2012 die diesjährige Gesamtentwicklung, welche zeigt, dass es langsam ernst wird.

Seien wir doch ehrlich: Bisher leben wir noch weitgehend von der Substanz und von den Strukturen der Prä-Internet-Zeit. So wird das Gros der relevanten Inhalte noch erstellt von Verlagen basierend auf Geschäftsmodellen und Kostenstrukturen, die künftig nicht mehr tragen werden. Es gibt ferner noch immer einen Haufen wichtiger und durch Investorengelder künstlich genährter Web-Plattformen wie Tumblr, Pinterest, Instagram oder eben auch Twitter, die ebenfalls nicht nachhaltig genug Geld verdienen, aber Kernbestandteile der Web-Infrastruktur darstellen, auf die wir uns täglich verlassen. All das wird sich ändern (müssen).

So ein Wandel geht natürlich nicht reibungslos vonstatten. Interessanterweise schreien gerade Web-Leute oft am lautesten auf, wenn Gratis-Angebote, an die sie sich gewöhnt haben, eingeschränkt oder abgeschafft werden. Ich finde es gut, dass Facebook & Co. inzwischen notwendigerweise stärker ihr wahres Gesicht zeigen. Das führt hoffentlich dazu, dass die Leute kritischer mit ihnen umgehen und sich außerdem fragen, wie sie die Social-Media-Erfolgsfaktoren, welche Facebook & Co. groß gemacht haben, auf eigene Angebote übertragen können, um unabhängiger zu werden. Letztlich werden durch diese Entwicklung auch Bezahlmodelle wie das von App.net attraktiver, weil die Leute immer stärker deren Vorteile sehen. Ich finde es auch gut, dass die aus Sicht reiner Netz-Angebote den Wettbewerb verzerrenden klassischen Content-Geschäftsmodelle der Presse- und Buchverlage immer stärker unter Druck geraten und neuen nachhaltigen Ansätzen Raum machen. Außerdem sind wir als Gesellschaft inzwischen gezwungen, uns adäquat zu organisieren, um den erwartbaren Lobby-Angriffen der Medienwandel-Verlierer wirksam zu begegnen – Stichwort Leistungsschutzrecht.

Was also erst mal negativ zu sein scheint und für viele auch sehr unangenehm ist, ist aus meiner Sicht Teil einer notwendigen Entwicklung. Ich hoffe, wir nehmen die Herausforderung positiv an und treiben sie bestmöglich voran.


Leander Wattig ist Blogger. Er unterstützt zudem seit 2007 Medienunternehmen und Kreativschaffende als freier Berater, hält Vorträge, ist seit 2012 Lehrbeauftragter der Universität St.Gallen und engagiert sich seit 2010 als Vorstandsmitglied der Theodor Fontane Gesellschaft.


 

Inken Meyer (meyola)

Als ich letztes Jahr 2011 im Sommer in den Urlaub fuhr, stellte ich mir vorher die Frage, wer wohl die „Weltherrschaft“ übernehmen würde, während ich weg bin. Ich kam wieder und Google+ war gelauncht. Ob dies nun eine „Weltherrschaft“ sei oder nicht, in dem Jahr gab es auf jeden Fall viele Highlights und Hypes… Dies Jahr fragt man sich ja eher „wer schnürt mir welche API ab?“

Mein persönliches Interesse ist etwas abgeschwächt, die Nowness (alles ist nur jetzt aktuell und in 5 Minuten wieder veraltet) lässt mich kälter. Wenn wieder der komplette Twitterstream nur mit einem Thema voll ist, schaffe ich es trotzdem noch drüber hinweg zu lesen. Mein ganz persönliches Highlight war tatsächlich der Lunch Beat. Es geht darum, eine Stunde zur Mittagszeit zu tanzen. Anfang des Jahres las ich davon und beschloss: das braucht Hamburg auch. Seitdem organisiere ich im Team den Lunch Beat Hamburg. Hier haben wir die Verbindung, von neuen und alten Medien, von online und offline. Alle berichteten davon und interviewten uns: ob Onlinemagazine, Zeitungen oder das Fernsehen.

Jedes Mal, wenn man seinem Gegenüber von dem Lunch Beat erzählt bekommt, dieser große Augen, das Konzept ist großartig und macht die Welt noch ein Stückchen kleiner. Durch das weltweite gleichzeitige Stattfinden in Verbindung mit einem Livestream knüpft es banden zwischen Städten und Menschen. Ich liebe das Projekt und glaube, dass Konzepte, die die Menschen und die Medien untereinander mehr verbinden die wirklichen Highlights dieses Internets sind!

Ach ja, mit ein paar Sachen kriegt man mich doch: zum Beispiel mit witzigen Figuren, morbidem Humor und einer eingehenden Melodie: „Dumb Ways to Die“


Inken Meyer aka meyola, ist als freiberufliche Artdirectorin und enthusiastische Existenzgründerin selbst zur Start-up-Expertin geworden und coacht und berät in den Bereichen Marketing und Social Media. Sie ist Mitgründerin der Digital Media Women, einem Netzwerk, dass es sich zur Aufgabe gemacht hat, Frauen aus den Bereichen Web und Medien im Netz sichtbarer zu machen. Und mehr Frauen auf die Podien der männerdominierten Konferenzwelt zu bringen. Sie ist Organisatorin des Lunch Beat Hamburg und der Social Media Week Hamburg.


 


schreibt seit 2011 für die Netzpiloten und war von 2012 bis 2013 Projektleiter des Online-Magazins. Zur Zeit ist er Redakteur beim t3n-Magazin und war zuletzt als Silicon-Valley-Korrespondent in den USA tätig.


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