Diese Entwicklung hat eine drastische Auswirkung auf die politische Kultur in Deutschland. Das heißt, dass am Ende besonders politische Akteure nicht mehr genügend Kanäle finden werden, um umfassend alle Wählergruppen erreichen zu können und die politische Willens- und Meinungsbildung erlahmen wird.
Die Folge sind weitere Segmentierungen in den Wählermilieus. Die Politik kann sich damit helfen, in die neuen Medien und was sie ihnen bieten, einzutauchen. Dass Information nun ungefiltert bis zum Endverbraucher transportiert werden kann, ohne dass eine kritische Instanz, der Journalist, dazwischen geschaltet ist, wird nicht jedem Politiker schlaflose Nächte bereiten. Zum Glück ist auch der User im Netz kritisch. Denn die Freiheit der Information und das bedienen des kritischen Geistes gehört zu den Mythen des Netzes. Nicht wenige haben sich dieses Ethos bewahrt. Das Wahljahr wird entscheidend zeigen, ob die politischen Akteure den Schritt nach vorne in die neue Medienwirklichkeit gehen oder ihre Pfründe in den öffentlich-rechtlichen Anstalten schützen und sich dort für den klassischen Sendeauftrag gemäße Fortentwicklung des Programms im Netz einsetzen werden.
Das „Online-Programm“ kann man über den Fernsehrat direkt beeinflussen, die Gruppendynamik auf facebook nicht.
Neben den öffentlich-rechtlichen Medien werden sich kleinere Einheiten etablieren: Blogs, Meinungswebseiten, alternative Journalismusprojekte. Ein Beispiel dafür gibt es heute schon: propublica.org ist eine amerikanische Stiftung, die Journalisten dafür bezahlt, investigativ tätig zu werden. Genügend gute Journalisten gibt es ja: All die, die in ihren Verlagen gekündigt wurden, weil man sie sich nicht mehr leisten konnte. Das war halt zu einer Zeit, als man die Agenturen noch abschöpfen konnte. Wenn die dann einmal pleite sein werden, sind die Verlage nass. Alles, was früher bei ihnen, in den klassischen Medien, stattfand wird dann online stattfinden, geschrieben und gefilmt von ihren einstigen Premiumjournalisten.
Sollte nicht bald ein tragendes Erlösmodell für journalistische Inhalte im Netz gefunden werden, dann bleibt nur noch der Stiftungsgedanke. Dass politische Informationen im Netz schlecht zu verkaufen sind, ist bekannt. Dem Geist des Internet widerstrebt es eben, für die Demokratie legitimierende Inhalte zu zahlen. Was aber nicht vermarktbar wird, wird eingestellt. Die Politik und ihre Akteure werden es also, trotz alter bewährter und bewehrter Trutzburgen, immer schwerer haben, die Menschen zu erreichen.
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Weiterlesen in der Serie:
- 1. Analoges Wer-kennt-wen
- 2. Öffentlich-Rechtliches Netz
- 3. Headline-Journalismus
4. Welt ohne Politik- 5. Luxusgut Zeitung
- 6. Was aus der Krise folgt
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Schlagwörter: cicero
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