Wenn der Algorithmus den Job vermittelt

Als die Gründer einer Agentur merkten, dass beim Employer Branding und der Personalvermittlung ohne Computerunterstützung kein Wachstum mehr möglich war, starteten sie Talents Connect. Das ist so etwas wie eine Singlebörse für Arbeitnehmer und Unternehmen mit Echtzeitalgorithmus. Als das französische Schlagersternchen France Gall Ende der 60er Jahre sang, dass ihr „der Computer Nr. 3 den richtigen Boy“ aussuchen würde, war dies nichts weiter, als ein Blick in die Zukunft. Heutzutage werden tagtäglich mithilfe von Algorithmen unzählige Frauen und Männer aufgrund ihrer Persönlichkeitsmerkmale vermittelt. Online-Singlebörsen wie Parship oder eDarling funktionieren alle nach dem gleichen Prinzip. Anfangs gibt man einiges seiner Persönlichkeit preis, damit einem der Computer auf Basis der Angaben die besten Vorschläge unterbreiten kann.

„Du bist mehr als Dein Lebenslauf“

So ähnlich funktioniert auch Talents Connect, wo ein Algorithmus in Echtzeit darüber entscheidet, wer am besten zueinander passen könnte. „Ähnlich wie bei einer Partnerbörse kann man ja erstmal zusammen einen Kaffee trinken und schauen, ob es funkt“, erklärt uns der Head of Communications, Christian Brand augenzwinkernd. Herkömmliche Stellenausschreibungen würden fast alle dem gleichen Strickmuster folgen. Da ist es als Absolvent schwierig zu entscheiden, wo man sich bewerben soll. So richtig frustrierend wird es, wenn man monatelang nichts hört um dann eines Tages die eigenen Unterlagen im Briefkasten vorzufinden. Obwohl sie am längeren Hebel sitzen, haben auch Personalchefs arge Probleme bei der Suche nach den passenden Berufseinsteigern. Schulabschluss, Praktika und die Durchschnittsnoten sagen wenig über den Charakter eines Menschen aus. „Du bist mehr als dein Lebenslauf“, heißt das Motto von Talents Connect. Wie viel mehr, wird im Rahmen von etwa zwanzig Fragen analysiert. Aus den Hard Facts und Soft Skills wird am Ende der sogenannte Matching Score errechnet. Sowohl den Suchenden als auch den Unternehmen werden nur die Vorschläge angezeigt, die ausreichend viele Überschneidungen aufweisen. Zu den sogenannten Hard Facts gehört beispielsweise ob neue Mitarbeiter dazu bereit sind, für ihren Job umzuziehen. Zu den Soft Skills gehört die Persönlichkeit, die Interessen und beruflichen Werte eines Bewerbers. Vieles dabei ist eine reine Typfrage, obwohl ein gutes Team unterschiedliche Persönlichkeiten braucht. Arbeitet die oder der Neue eher selbstständig oder braucht er festgelegte Rahmenbedingungen, damit ihn sein Job glücklich macht? Wie groß ist das Streben nach Harmonie oder nach Konkurrenzkampf untereinander? Wie geht der Bewerber mit Kritik um? Möchte der Neue lieber im Home Office, auf Geschäftsreise oder im Büro tätig sein? Werden derartige Fragen mit diesem Matching-Tool vorab beantwortet, erleichtert es die Auswahl für beide Seiten.

Wirtschaftsförderung kann auch hinderlich sein

Gründer Robin Sudermann war selbst nach seinem Abschluss auf der Suche nach Orientierung. Als passionierter Fußballspieler, Wirtschaftspsychologe und einigen Semestern BWL im Rücken gab es keinen Bereich, wo er sich so recht zuhause fühlte. Köln als Standort hatte für ihn den Vorteil, dass es kein Geld aus öffentlicher Hand gab. In Berlin sei es als Gründer eines Startups deutlich einfacher, finanziell unterstützt zu werden. Wer in Nordrhein-Westfalen Geld bekommen will, muss sein Konzept von privaten Investoren und Mentoren überprüfen lassen. Die investieren nur in solche Firmengründungen, von deren Erfolg sie überzeugt sind. Den Anfang machte Students Connect, eine akademische Vermittlungsplattform, die mit Hilfe des Diplom Psychologen Christian Dries entstanden ist. Rund 90% der Bewerber studierten auf Bachelor oder hatten ihn bereits erworben. Mittlerweile ist das Angebot sehr viel breiter gefächert. Zu den Finanzdienstleistern, Versicherungen oder Großkonzernen wie E.On, der Deutschen Telekom oder Bahn sind in letzter Zeit viele Unternehmen dazu gekommen, die Azubis für ihre Handwerksberufe suchen. Aufgrund des enormen Bedarfs wurde dafür eigens das Portal ausbildungsoffensive.com ins Leben gerufen.

„Der Markt ist voller Dinosaurier“

Am Algorithmus, der in Echtzeit kalkuliert, wird ständig gearbeitet, um die Vermittlung zu optimieren. Während sich arbeitssuchende Schüler und Studenten kostenlos anmelden dürfen, fallen für die teilnehmenden Unternehmen Gebühren an. In absehbarer Zeit soll der Vorgang auf Smartphones übertragen werden. Dann kann man sich alle Jobvorschläge alternativ von einer App anzeigen lassen. Christian Brand muss lächeln als er gefragt wird, warum dieses Konzept nicht schon viel früher umgesetzt wurde. Der Grund dafür sei ganz einfach: der Markt sei „voller Dinosaurier“. Die letzte „Innovation“ war die Gründung des Karriereportals Monster in den 90er-Jahren. Monster war binnen kürzester Zeit weltweit bekannt, weil es den Stellenmarkt ins Internet übertragen hat. Wer in diesem Bereich Fuß fassen will, braucht einen langen Atem. Die dortigen Strukturen seien schlichtweg nicht so flexibel wie die eines neuen Unternehmens. Erst recht nicht wie die eines Startups, das mit dem schnelllebigen Web Geld verdienen will.


Image (adapted) „Business Baby Pointing“ by Paul Inkles (CC BY 2.0)


schrieb von 2000 bis zum Jahr 2002 für mehrere Computerzeitschriften rund 100 Artikel. Von April 2008 bis Oktober 2012 leitete er beim IT-Portal gulli.com die Redaktion als Chefredakteur. Thematische Schwerpunkte der über 1.000 Beiträge sind Datenschutz, Urheberrecht, Netzpolitik, Internet und Technik. Seit Frühjahr 2012 läuft die Video-Interviewreihe DigitalKultur.TV, die er mit dem Kölner Buchautor und Journalisten Moritz Sauer betreut. Seit mehreren Monaten arbeitet Lars Sobiraj auf freiberuflicher Basis bei heute.de, ZDF Hyperland, iRights.info, torial, Dr. Web und vielen weiteren Internet-Portalen und Blogs. Zudem gibt er Datenschutzunterricht für Eltern, Lehrer und Schüler. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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