Katrin Viertel von medienlotse.com beantwortet Fragen rund ums Thema Erziehung und digitale Medien. Heute geht es um Jugendliche, die jede freie Minute beim Spielen im Internet verbringen.
Mein 15-jähriger Sohn liebt es, sich zu Multiplayer-Spielen zu verabreden. Ich verstehe dieses Hobby nicht, habe aber eingesehen, dass es ihm eben Spaß macht. Seit einigen Wochen tut er aber wirklich nichts anderes mehr in seiner Freizeit als virtuelle Kämpfe auszutragen. Nun bin ich besorgt, dass er nach Computerspielen süchtig sein könnte. Soll ich diese Exzesse dulden, zumindest vorübergehend, oder entschieden dagegen vorgehen?
Antwort:
Ihr Sohn ist in einem Alter, in dem er wahrscheinlich in allen Lebensbereichen nach einer klaren Abgrenzung von seinen Eltern strebt. Sich einem Hobby zuzuwenden, das Sie nicht recht verstehen, ist in dieser Phase völlig normal.
Nun bemerken Sie aber, dass das Hobby seinen Charakter verändert oder dass es gar Ihren Sohn zum Schlechten verändert. Das ist der wichtige Punkt: Hat sich nur die Nutzungszeit verlängert oder geht das pausenlose Spielen auch mit einer Wesensveränderung einher? Mit der Stoppuhr allein kann man einer Computerspielsucht nicht auf die Spur kommen. Sie sollten zunächst besonders darauf achten, ob er seinen üblichen Verpflichtungen wie Schulbesuch und Hausaufgaben noch nachkommt, ob er tatsächlich noch Freude am Spielen hat, ob er unruhig und vernachlässigt wirkt, ob er sich noch duscht und regelmäßig isst, ob er noch Sozialkontakte, aufrecht erhält, die nichts mit der „Spiel-Szene“ zu tun haben.
Ob Ihr Kind süchtig ist nach Computerspielen oder auch „nur“ gefährdet ist, eine echte Sucht zu entwickeln, lässt sich von außen nicht beurteilen. Ich empfehle Ihnen, sich im Zweifel persönlich beraten zu lassen. Hier finden Sie Telefonnummern und Adressen in Ihrer Nähe.
Ich verstehe Ihre Frage jedoch in erster Linie als Ausdruck Ihrer Besorgnis darüber, dass Ihr Sohn einfach zu viel spielt. Wahrscheinlich leiden Familienleben und Familienfrieden erheblich unter seiner exzessiven Internetnutzung. Ihr Sohn taucht, nehme ich an, oft stundenlang ab, ist nicht ansprechbar, und wenn, dann dreht sich der Großteil der Gespräche mit ihm um die Begrenzung seiner Spielzeit. Wenn dies so ist, sollten Sie diese Exzesse nicht dulden. Grenzen und Regeln sind schwierig durchzusetzen, das ist wahr. Aber ein Familienmitglied, das die Füße auf den Tisch legt und seine Kippen im Essen ausdrückt, würden Sie ja auch nicht tolerieren.
Ich halte nichts davon, das Spielen zu verbieten, aber Begrenzung muss sein – und zwar mit Ihrer entschiedenen Hilfe, wenn Ihr Sohn es im Augenblick allein nicht schafft.
Wichtig ist aber, dass Sie nicht nur als „Spielverderberin“ auftreten: Interessieren Sie sich für das, was er spielt. Lassen Sie es sich zeigen oder, um den Einstieg in ein Gespräch zu erleichtern, informieren Sie sich vorab im Netz über das Spiel, zum Beispiel indem Sie auf YouTube oder einem anderen Videoportal Spiel-Videos dazu anschauen. Vielleicht lassen Sie Ihren Sohn dann selbst Vorschläge machen, wie die Zeit begrenzt werden könnte. In einigen Spielen ist es wichtig, jeden Tag zumindest kurz „drin“ zu sein – wie kurz könnte also „kurz“ sein? Statt eines täglichen Zeitbudgets könnten Sie ein Wochenbudget vereinbaren – so kann dann am Wochenende ausführlicher gespielt werden.
Wahrscheinlich befinden Sie sich gerade auf dem Höhepunkt des Exzesses. Studien zeigen, dass die Zeit, die Jugendliche mit Computerspielen verbringen, ab 16 Jahren wieder deutlich weniger wird. Nur ein kleiner Trost, ja, doch immerhin.
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