Die Kanzlerin ist in einer schlechten Verfassung: Ihre Bundestagsfraktion meutert. Die Abgeordneten wollen aus dem Kanzleramt nicht mehr dirigiert und bei politischen Entschlüssen vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Die Frage nach der Zukunft der Jobcenter hat das gezeigt. Es ist das erste Mal, dass seit Beginn der großen Koalition der Tumult im Bundestag in eine offene Ablehnung eines Vorschlags mündet, den die Kanzlerin von einem CDU-Ministerpräsidenten hat aushandeln lassen.
Die Unionsbundestagsabgeordneten lassen die Kanzlerin spüren, dass sie es ist, die aus der Mitte der Parlamentarier gewählt ist und dass nicht umgekehrt die Parlamentarier von ihrem Wohlwollen abhängen oder sich ihr Amtsverständnis aus dem Bundeskanzleramt diktieren lassen. Rumort hat es in der Unionsfraktion schon lange: Schon zu Beginn der Großen Koalition bei der Gesundheitsreform und dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz. In der einen Sachfrage nun hat sich die Wut einer ganzen Legislatur entladen.
Worum geht es im Kern bei der Debatte: Um den Regierungsstil der Bundeskanzlerin. Was am Anfang noch als moderates Abwägen und Politik des genauen Hinschauens interpretiert werden konnte, wird jetzt nur noch als Neuauflage des Kohlschen Aussitzens gedeutet. Das ist das eine. Das andere ist, dass es vielen Unionsanhängern zu weit geht, dass die Kanzlerin auf den Erhalt ihres Amts mehr schielt als auf das Wohlergehen und die Zukunftsfähigkeit ihrer Partei. So scheint es zumindest vielen, denn, so sagen die Kritiker, die Kanzlerin suche eher den Kompromiss mit dem Koalitionspartner SPD als mit ihren eigenen Leuten.
Der Union bekommt das nicht gut. Sie liegt in Umfragen nur noch bei 33 Prozent. Es bringt den Christdemokraten nichts, wenn die Kanzlerin für ihre Papstkritik oder ihre Verstaatlichungspolitik von denen beklatscht wird, die sie ohnehin nicht wählen. Hier wiederholt sich die Geschichte: Gerhard Schröder wurde für seine Agenda 2010 vom bürgerlichen Lager gelobt. Seine SPD hat die Reformpolitik seiner Ägide mit allen Mitteln umzukehren gesucht.
Nun bringen sich auch die Ministerpräsidenten in Stellung. Es ist kein Geheimnis, dass sie, sollte die Bundestagswahl am 27. September in einem Fiasko für die Union enden, Angela Merkel noch in der Wahlnacht entmachtet wird. Für die Nachfolge geeignet halten sich sicherlich sowohl Horst Seehofer, als auch Jürgen Rüttgers und Roland Koch. Noch ist es um die Kanzlerin nicht so schlecht bestellt. Die Union wird geschlossen im Wahlkampf auftreten. Der Streit in der Bundestagsfraktion zeigt aber, dass Angela Merkel den Kredit bei ihren eigenen Leuten aufgebraucht hat.
Die Kolumne von Alexander Görlach finden Sie unter: www.cicero.de/alexanderplatz
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Schlagwörter: CDU, cicero, machtkampf, merkel, SPD, wahljahr
2 comments
Sehr präzise erfasst, danke dafür!
Wer folgt auf Angela Merkel? | Blogpiloten.de – das Beste aus …: Noch ist es um die Kanzlerin nicht so schlech.. http://tinyurl.com/dhsf48