Soziale Netzwerke sind auch für Politiker von immer größerer Bedeutung, wie der Politik- und Kommunikationsberater Martin Fuchs anhand der Aktivität der Bundestagsabgeordneten bei Facebook, Google+ und Twitter nachweist. // von Lars Sobiraj
Martin Fuchs hat sich selbst zum „Hamburger Wahlbeobachter“ erkoren. In Zusammenarbeit mit Technikern hat er mehrere Portale erschaffen, die die Aktivität von Personen und Organisationen in sozialen Netzwerken analysieren und vorstellen. Zwar ist die Präsentation in erster Linie Werbung in eigener Sache, zumal Fuchs als Kommunikationsberater tätig ist. Dennoch kommen dabei recht spannende Ergebnisse zutage.
Warum ist das wichtig? Auch im Wahlkampf gewinnen die sozialen Medien immer weiter an Bedeutung. Der Politikberater Martin Fuchs hat die Social-Media Präsenzen der deutschen Politiker analysiert.
Die Wahlen werden zunehmend im Web entschieden. Nur wer sich dort gut darstellen kann, hat auf Dauer gute Chancen auf wachsende Prozentzahlen.
Die Tätigkeit im Social Web ist vor allem eines: anstrengend! Wer es selbst versucht hat, der weiß, wie langatmig und arbeitsreich der Aufbau einer erfolgreichen Präsenz ist.
Ein kleiner Versprecher oder eine Zweideutigkeit kann vieles ganz schnell wieder kaputt machen. Wer sich im Web präsentiert, muss dies mit voller Aufmerksamkeit und einigem Hintergrundwissen tun.
Die Social-Media-Analyse- und Benchmarking-Plattform Pluragraph präsentiert, welche deutschsprachigen Parteien, Politiker und Parlamente digital gesehen ganz vorne sind. Dieses Social-Media-Ranking zeigt übrigens ganz andere Ergebnisse als die, die man aus den Nachrichten kennt. Addiert wird die Anzahl der Facebook-Fans mit den Google Plus-Kontakten, Twitter-Followern und der Anzahl der unterschiedlichen Profile im Social Web. Pro Profil gibt es 50 Punkte, dafür muss jedes einzelne soziale Netzwerk aufwändig gepflegt werden. Ganz vorne liegt die Bundeskanzlerin Angela Merkel, von der ja eigentlich angenommen wird, das Internet sei lediglich #Neuland für sie und ihre Mitarbeiter. Sie wird gefolgt von einem fleißigen Gregor Gysi (Die Linke) und der netaffinen Piratenpartei Deutschland, die beide fast gleichauf liegen.
Auch sonst hat die Reihenfolge wenig mit den Realitäten außerhalb des Netzes zu tun. Platz 24 hat beispielsweise der rheinland-pfälzische Unternehmer Tobias Huch (FDP) inne, den außerhalb von Mainz kaum jemand kennt. Dafür agiert Huch schon seit Jahren sehr aktiv bei Facebook, Instagram und Twitter. Weit abgeschlagen hinter Huch finden sich weite Teile des Who is Who des Deutschen Bundestages. Man sieht mal wieder: Bekannt im Web zu sein bedeutet nicht automatisch, dass man auch als Politiker in der ersten Reihe sitzt und anders herum. Eine gute digitale Strategie hat sich dennoch in den letzten Jahren immer mehr als effektive Werbung in eigener Sache erwiesen. Von daher werden kostenpflichtige Dienstleistungen immer häufiger in Anspruch genommen. Klar ist auch, dass man seine Kanäle nicht „nebenher“ füttern kann. Dafür braucht es viel Erfahrung und die volle Konzentration. Wer nicht aufpasst, dem unterlaufen im Internet schnell gravierende Fehler, die sich per Twitter, Google+ oder Facebook in Windeseile verbreiten und im Worst Case sogar einen echten Shitstorm heraufbeschwören können.
Hamburger Bürgerschaft: Twitter nur eine Modeerscheinung?
Bei Politik-Tweets-Hamburg geht es alleine um die baldige Wahl in der Hansestadt. Spannend ist dort zu beobachten, ob Twitter von den Kandidaten als tägliches Werkzeug oder nur als Modeerscheinung angesehen wird. Der technikaffine SPD-Politiker Hansjörg Schmidt eröffnete seinen Twitter-Account bereits im März 2007. Über 18.000 Nachrichten hat er darüber im Laufe der Jahre abgesetzt. Damit betreibt Schmidt in der Bürgerschaft mit Abstand den ältesten Twitter-Account. Die letzten Nachzügler bei den Hamburger Landespolitikern zogen erst vor einem Jahr nach. Schmidt liegt auch sonst beim Twittern ganz vorne. Dafür muss er sogar am Wochenende durchschnittlich über sechs Nachrichten täglich absetzen. Wer in der Nähe der Elbe wohnt, sollte sich auch den dortigen Live-Stream anschauen. Dort werden in Echtzeit alle veröffentlichten Tweets der Kandidaten und Abgeordneten aus HH angezeigt.
Offenbar sind nicht sonderlich viele Hamburger Politiker von der Wirkung dieses Mediums überzeugt. Von der SPD-Fraktion der Hamburger Bürgerschaft ist nur etwa ein Drittel aller Abgeordneten bei Twitter aktiv. Die CDU unterhält derzeit elf twitternde Abgeordnete (40,7 Prozent), bei den Grünen (42,8 Prozent) und der FDP (55,5 Prozent) sind es nur wenige Prozentpunkte mehr. Künftig soll sogar beobachtet werden, welche Wahlkampfthemen gut ziehen, wer von den Politikern auf Anfragen reagiert, und welche Direktkandidaten die besten Informationen über ihren Wahlkreis anbieten. Für die einzelnen Wahlkampfteams bedeutet dies vor allem eines: viel zusätzliche Arbeit.
Erfolgsrezept: Kontinuität gemischt mit guten, aktuellen Themen
In Berlin können sich die Abgeordneten erst recht nicht leisten, inaktiv im Web zu sein. 92,4 Prozent der MdBs sind bei Facebook angemeldet. Über offizielle Fan-Seiten und/oder private Facebook-Profile verbreiten sie oder ihre Mitarbeiter die Beiträge. 86 Prozent aller Bundestagsabgeordneten waren sogar innerhalb der letzten zehn Tage bei Facebook aktiv. Politikberater Martin Fuchs schließt daraus, dass ein Großteil der Bundestagsmitglieder beziehungsweise deren Teams begriffen haben, dass eine erfolgreiche Social-Media-Kommunikation viel Kontinuität und Aktualität verlangt.
Zwischen den Tagen haben die meisten Abgeordneten Fotos und Postings mit Weihnachtsgrüßen und Neujahrswünschen veröffentlicht. Für jede Jahreszeit gibt es passende Motive und Grußformeln. Während sich manche MdBs allem Anschein nach freudestrahlend auf jedem Termin stürzen und begeistert von ihrer Tätigkeit berichten, beobachten andere das Geschehne lieber mit einer gehörigen Portion kritischem Abstand. Je nach Charakter und Ausstrahlung des Menschen können beide Strategien völlig korrekt oder echt daneben sein. Wichtig: Die PR-Strategie muss authentisch sein und darf nicht aufgesetzt wirken. Bei Strahlemännern wirken die Jubel-Botschaften, kritische Zeitgenossen halten sich mit Lobeshymnen besser ein wenig zurück. CDU-Generalsekretär Peter Tauber hat seinen eigenen Videopodcast “HURRA!“ getauft. Einen passenderen Namen hätte sich Tauber kaum aussuchen können.
Fest steht: An der Pflege diverser Profile und Seiten kommt niemand mehr vorbei, der dauerhaft Erfolg haben will. Die aktivsten Facebook-Fraktionen des Bundestages sind übrigens Die Linke, die SPD, knapp gefolgt von Bündnis 90/Die Grünen. Die Unterschiede sind aber geringfügig.
Aktiv ist die Bundesregierung beispielsweise auch bei YouTube und Flickr. Auch wenn manche Medienkanzleien bei YouTube über vier Mal so viele Kanal-Abos verfügen, Frau Merkel ist ohne Zweifel regelmäßig in den selbst produzierten Videos vertreten. Es ist allerdings schade, dass dort das Angebot an Werken mit einer Creative Commons Lizenz noch nicht angekommen ist. Die weitere Verwendung oder Verbreitung der Filme und Bilder wird dadurch stark erschwert. Aber wer weiß, vielleicht setzt schon bald der nächste Berater einen eigenen Blog zu diesem Thema auf und erläutert nebst einigen Statistiken, unter welchen Umständen die Verwendung von CC-Lizenzen sinnvoll ist.
Aktualisiert am 20.01.2015 von Tobias Schwarz
Teaser & Image by kropekk_pl (CC0)
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Schlagwörter: facebook, google, Neuland, Politiker, Social Media, Soziale-Netzwerke, Twitter, wahlkampf