Der Preiswettkampf im Einsteiger-Bereich des Smartphone-Markts spielt Käufern derzeit in die Hände. Denn die Konkurrenz ist so groß, dass die Hersteller trotz niedriger Kaufpreise zwischen 200 und 300 Euro viel Technik reinpacken und sich dabei immer wieder überbieten. Wer eine gute Triple-Kamera mit KI-Unterstützung möchte, braucht nicht mehr zum Huawei P30 lite für 370 Euro zu greifen. Hersteller Wiko zieht die Grenze jetzt bei 300 Euro. Außerdem verspricht er bei seinem neuen Top-Modell Wiko View 3 Pro einen sehr ausdauernden Akku und ein schnelles Arbeitstempo im Alltag. Gegenüber dem Vorgänger hat Wiko das Modell an vielen Stellen verbessert. Reicht das, um in diesem Preisbereich vorne mitzumischen? Bereits vor dem Marktstart Ende Mai hatten wir das Wiko View 3 Pro im Test und konnten uns einen Praxiseindruck der fertigen Hardware mit allerdings noch vorläufiger Software bilden.
Design: Französischer Chic, chinesische Qualität
Wiko ist einer der wenigen verbliebenden Smartphone-Hersteller aus Europa. Die Geräte gestaltet er an seinem Hauptsitz im französischen Marseille. Tatsächlich erfüllt die Optik des Wiko View 3 Pro im Test das nationale Klischee bildhübschen Designs. Unser Testexemplar kennzeichnet eine blaue Farbschicht unter der Glasrückseite, die ansprechend mit der orangenen Einfassung des Gehäuses und der Hauptkamera kontrastiert. Wiko nennt diese Farbvariante Anthracite Blue/Gold. Als weitere Option erscheint in Deutschland Deep Bleen – also eine Mischung aus Blau und Grün.
Vollständig mit einer Glasschicht bedeckt, ist das Wiko View 3 Pro im Test schön anzusehen. Allerdings nur, bis wir es berühren. Deutlich sichtbare Fingerabdrücke und Schlieren sind wie immer die Kehrseite dieser Materialwahl.
Die Design-Impulse stammen zwar aus Frankreich, hergestellt wird das Gerät wie die meisten Smartphones aber in China, woher auch der aktuelle Firmeneigentümer Tenno Mobile stammt. Dass die chinesische Fertigung selbst bei niedrigpreisigen Produkten längst für Qualität stehen kann, beweist auch dieses Modell. Es steht für eine Top-Verarbeitung ohne Knarzen, scharfe Kanten oder ungenaue Spaltmaße. Einziges generelles Konstruktionsmanko: Die Hauptkamera ragt relativ weit über das Gehäuse hinaus. Bei weichen Tischoberflächen besteht Kratzgefahr.
Eine IP-gemäße Gehäuseabdichtung gegen Wasser und Staub ist zu diesem Preis nicht zu erwarten. Besonders leicht ist das Smartphone mit 184 Gramm ebenfalls nicht. Für ein Gerät mit einer derart großen Displaydiagonale ist das Gewicht aber vertretbar. Außerdem ist das Smartphone mit 8,1 Millimeter an der dünnsten Stelle relativ schlank für diese Größe.
Display: Groß und scharf, aber nicht besonders hell
Satte 6,3 Zoll misst das Display in der Diagonale. Damit hat das Gerät richtig viel zu bieten. In dieser Preisklasse ist das noch selten zu finden. Wegen der langgezogenen Form lässt sich das Wiko View 3 Pro im Test aber trotzdem stabil halten und gut bedienen.
Trendgemäß setzt Wiko abgesehen von einem ausgeprägten Kinn auf sehr schmale Ränder. Die tropfenförmige Kerbe (Notch) am oberen Rand ist noch etwas kleiner als beim Vorgänger. Nur noch die Frontkamera platziert Wiko darin, während der Telefonlautsprecher in einen schmalen Schlitz zwischen Display und Rahmen gewandert ist. Deswegen wird die Front des Geräts fast vollständig von Display bedeckt, weswegen wir regelrecht ins Geschehen eintauchen können.
Wichtiger aber als die schiere Größe ist letztlich die Bildqualität. Hier macht sich der günstige Preis bemerkbar. Zwar verbaut Wiko ein LC-Display mit IPS-Panel, das aber die Möglichkeiten dieser Technologie nicht ausnutzt. Weder ist der Bildschirm besonders hell, noch bleibt die Helligkeit und Farbtreue beim Blick aus einem spitzen Winkel stabil.
An der Schärfe und Detailfülle haben wir aber nichts auszusetzen. Das Display löst zeitgemäß in Full-HD+ auf, während sich Wiko beim Vorgänger View 2 Pro noch auf HD beschränkte. Das ist ein deutlicher Schritt nach vorn! Video-Streaming bei YouTube, Amazon Prime Video und Netflix bereiten auf dem Display viel Spaß – vorausgesetzt, wir gucken darauf in einem nicht zu hell erleuchteten Raum.
Leistung: Schnell genug für 3D-Spiele
Statt eines Prozessors von Qualcomm setzt Wiko dieses Mal auf eine günstigere Komponente von Hersteller MediaTek. Das tut dem Tempo aber keinen Abbruch. Die acht Rechenkerne des MediaTek Helio P60 takten mit bis zu 2,0 GHz und sorgen selbst bei grafisch aufwendigen 3D-Spielen für eine flüssige Darstellung. Beim App-Start stellt PUBG Mobile genügend Rechenleistung fest, um die Grafik auf die mittlere Detailstufe zu schrauben, was uns bei einem Einsteiger-Gerät positiv überrascht.
In alltäglich gebrauchten Apps ist erwartungsgemäß ebenfalls eine flüssige Bedienung ohne Ruckeln gewährleistet. Dem Prozessor stehen 6 GB Arbeitsspeicher zur Seite, das ist sehr viel für diese Preisklasse und 2 GB mehr als im Vorgänger stecken. Das wirkt sich positiv aufs App-Management aus. Selbst wenn wir mehrere Anwendungen im Hintergrund geöffnet haben, bleiben sie das auch und werden nicht automatisch geschlossen, sodass wir sie wieder neu starten müssen.
Für Fotos, Videos und Apps bringt das Wiko View 3 Pro ebenfalls viel Platz mit. 128 GB sind intern verfügbar. Diese lassen sich mit einer Micro-SD-Karte um 256 GB erweitern.
Software: Pures Android 9 mit ein paar Extras
Direkt zum Marktstart liefert Wiko das View 3 Pro mit dem aktuellen Android 9 aus, was in dieser Preisklasse noch keine Selbstverständlichkeit ist. Dabei verzichtet der Hersteller auf eine eigene Oberfläche, belässt das Betriebssystem also fast so wie von Google geschaffen. Lediglich unter dem Menü-Eintrag „Wiko-Eigenschaften“ sind ein paar ergänzende Funktionen zu finden, mit denen Nutzer die Oberfläche und die Bedienung individualisieren können.
Den Startbildschirm den eigenen Vorlieben anzupassen, scheint Wiko-Nutzern offenbar wichtig zu sein. Zusätzlich bietet der Hersteller nämlich auch eine App an, mit der Nutzer aus Videos interaktive Wallpaper erstellen können. Die App steht in Kürze als fertige Version im Google Play Store bereit. Im Test funktioniert sie bereits problemlos.
Obwohl es sich übrigens generell bei der Software auf unserem Testexemplar noch um keine finale Version handelt, sind uns keine Bugs begegnet.
Kamera: Praktisches Ultraweitwinkel und schönes Bokeh
Eines von Wikos Hauptverkaufsargumenten für das View 3 Pro ist die Triple-Kamera mit Künstlicher Intelligenz. Klingt an sich super, denn bei Huawei kostet diese Ausstattung mindestens 70 Euro mehr. Doch genau wie beim P30 lite handelt es sich auch beim Modell von Wiko nicht um eine „echte“ Dreifach-Optik.
Denn zum Fotografieren lassen sich nur zwei der drei Kameras auf der Rückseite verwenden. Zum einen die Standardweitwinkel-Kamera (12 MP, 27 mm, F2.0) und zum anderen die Ultraweitwinkel-Kamera (13 MP, 16 mm, F2.2). Der 5-MP-Sensor der dritten Kamera ist hingegen nur dafür zuständig, im Bokeh-Modus Abstandsinformationen zu messen und dadurch die künstliche Hintergrundunschärfe präziser zu setzen. Dafür schaltet sich die Kamera automatisch hinzu. Beeinflussen kann der Nutzer das nicht.
Gerade bei Landschaftsaufnahmen ist der Wechsel zur Ultraweitwinkel-Kamera sehr praktisch. Wir kriegen dann einfach mehr aufs Bild. Allerdings sind dann auch die bei kleinen Smartphone-Optiken typischen Starken Verzeichnungen an den Rändern hinzunehmen. Das Hauptmotiv sollte daher möglichst mittig platziert werden.
Gute KI, durchwachsene App-Ausstattung
Die in der Kamera-Software enthaltene KI ist auf das Erkennen von Fotomotiven trainiert und passt Belichtung und Farblook automatisch an. An den Einblendungen erkennen wir, dass die Software die Motive recht treffsicher identifiziert. Motive wie Pflanzen und blauer Himmel – die Klassiker eben – hat sie gut drauf. Den Unterschied von Fotos mit und ohne KI-Veredelung können wir aber nicht beurteilen, weil sich die Funktion nicht abschalten lässt.
Einen positiven Eindruck hinterlässt auch der Bokeh-Modus des Wiko View 3 Pro im Test. Dies gilt sowohl für die Hauptkamera als auch für die Frontkamera, obwohl letzterer keine extra Aufnahmeeinheit dafür zur Verfügung steht. In beiden Fällen gelingt es der Software, die Unschärfemaske präzise zu setzen. Selbst mit den Übergängen am Haar kommt sie gut klar. Prima übrigens, dass sich der Bokeh-Effekt nicht nur bei Porträts, sondern auch bei anderen Objekten anwenden lässt.
Bei wenig Umgebungslicht hilft es, den Nachtmodus zu aktivieren – wobei es dafür nicht wortwörtlich Nacht sein muss. Dieser Modus sorgt mit einer Mehrfachbelichtung dafür, dass mehr Helligkeitsinformationen gespeichert werden. Dadurch entsteht ein scharfes Bild aus freier Hand, ohne dass die Automatik die ISO und damit das Rauschen stark erhöht. Die Ergebnisse sind ansprechend. Ohne direkten Vergleich fällt der Unterschied zum Nachtmodus in den teureren Spitzenmodellen etwa von Huawei nicht auf.
Weniger die Fotofreunde als eher die leidenschaftlichen Shopper und Wissbegierigen freuen sich darüber, dass Google Lens in der Kamera-App enthalten ist. Das ist ungewöhnlich für diese Preisklasse. Dabei handelt es sich um eine bildergestützte Internetsuche. Zu abfotografierten Gegenständen findet die Software passende Gegenstücke in Online-Shops oder Zusatzinformationen im Web.
Darüber hinaus bietet die Kamera-App wenig Extra-Optionen. Beispielsweise vermissen wir einen Pro-Modus und damit auch die Möglichkeit in Raw zu fotografieren. Mit der eingebauten Kamera in Apps wie Lightroom CC können wir allerdings dann schon Bilder im Raw-Format DNG abspeichern.
Bildqualität für den Preis auf hohem Niveau
Insgesamt geht die Bildqualität des Wiko View 3 Pro im Test absolut in Ordnung. Mitunter sehen die Bilder etwas blass aus, was sich in der Nachbearbeitung jedoch beheben lässt. Und manchmal neigt die Software zur Unterbelichtung, insbesondere bei Hochkontrastsituationen. Denkbar, dass die finale Software dieses Problem ausgleicht. Dennoch sind Belichtung, Schärfe, Detailfülle, Rauschverhalten und Farbwiedergabe für diesen Preis auf hohem Niveau. Eine Kostprobe vermittelt die von uns fotografierten Testbilder in der Galerie.
Akku: Zwei Tage sind möglich
Mit 4.000 mAh Kapazität geht Wiko zwar nicht an die Grenzen des Möglichen, denn beispielsweise das günstigere Gigaset GS280 bietet sogar 5.000 mAh. Dennoch ist der Akku im View 3 Pro überdurchschnittlich groß dimensioniert. Das brächte natürlich nur wenig, wenn die Energie schnell flöten geht. Doch dem ist nicht so. Wiko hat das Energie-Management zusammen mit der Firma SmartViser eigenen Angaben zufolge derart optimiert, dass der Akku ohne Aufladen zwei Tage durchhält. Welcher Nutzungsmix dieser Angabe zugrunde liegt, wissen wir nicht. Dennoch kommt sie unseren Erfahrungen nach hin. Bei geringer Nutzung haben wir mit dem Wiko View 3 Pro im Test tatsächlich zwei Tage ohne Steckdosen-Stop geschafft.
Damit der Akku danach schnell wieder frische Energie erhält, lässt er sich mit dem Schnellladeverfahren Fast-Charging Pump Express wieder auftanken.
Sicherheit: Face Unlock ist praktischer als der Fingerabdruck
Statt mit PIN und Muster lässt sich das Wiko View 3 Pro im Test auch per Fingerabdruck oder Gesichtsprofil entsperren.
Der Fingerabdruckscanner ist klassisch auf der Rückseite platziert und lässt sich dort an sich gut treffen. Allerdings reagiert er für unseren Geschmack etwas langsam und zeigt sich oft widerspenstig. Wir müssen schon ein gewisses Gefühl entwickeln, um den Finger genau so zu platzieren, dass der Sensor das Profil prüfen kann. Möglicherweise arbeitet der Sensor mit finaler Software nach dem Marktstart besser.
Als praktischer erweist sich beim Wiko View 3 Pro im Test das Entsperren per Face Unlock. Diese Einstellung ist bei unserem Testexemplar übrigens nicht in der Rubrik „Sicherheit“, sondern unter den „Wiko-Eigenschaften“ zu finden. Anders als etwa beim iPhone X startet der Entsperr-Vorgang nicht automatisch. Stattdessen müssen wir erst stets die Powertaste drücken, um das Display aus dem Standby zu wecken. Dann erkennt das Smartphone unser Gesicht und entsperrt die Oberfläche super schnell – zum Teil wirklich schneller als per Fingerabdruck.
Obwohl beim Face Unlock nur ein 2D-Scan zum Einsatz kommt, der als unsicher gilt, konnten wir die Kamera zumindest mit einem Selfie auf einem anderen Handy-Display nicht austricksen.
Konnektivität und Sound: Sinnvolle Modernisierung
Im Vergleich zum View 2 Pro hat Wiko beim Nachfolger die physischen Anschlüsse und die Funkverbindungen sinnvoll modernisiert.
Beispielsweise funkt das Gerät im WLAN nicht mehr nur mit 2,4 GHz, sondern jetzt auch mit 5 GHz. Wenn ihr euch bei Routern mit bereits vielen verbundenen Geräten anmeldet, ist das von Vorteil. Denn so kommen sich die Funkkanäle nicht in die Quere. Und statt mit dem überholten Micro-USB tauscht das Wiko View 3 Pro im Test nun Daten per USB-C-Kabel aus.
Beibehalten hat Wiko den Hybrid-Slot, der entweder einer Micro-SD-Karte oder einer zweiten SIM-Karte Platz bietet. Ebenfalls ist wie gehabt ein Klinkenstecker verfügbar.
Wer aber seine Kopfhörer nicht per Kabel – oder per Bluetooth – anschließen möchte, kann Musik und Podcasts natürlich auch über einen Lautsprecher hören. Dessen Sound ist klar und bei Bedarf auch sehr laut. Allerdings ist die Klangbühne nicht sehr breit. Von Stereo-Klang keine Spur. Wir können die Richtung, aus der die Geräusche kommen, sehr klar verorten.
Fazit zum Wiko View 3 Pro im Test: Geheimtipp im gehobenen Einsteiger-Bereich
Wiko schnürt mit dem View 3 Pro ein großzügiges Paket in der Einsteiger-Klasse. Für das Smartphone sprechen ein bildhübsches Design, ein schön großes und scharfes Display, die für diese Preisklasse gute Kamera, aktuelle Software ohne Schnick-Schnack, ein starker Akku und eine moderne Anschlussausstattung. Negativ aufgefallen sind uns beim Wiko View 3 Pro im Test hingegen die geringe Spitzenhelligkeit des Displays, der langsame Fingerabdruckscanner und die enge Klangbühne des Mono-Lautsprechers. Doch diese Makel sind angesichts des Preises zu verschmerzen.
Insgesamt setzt Wiko mit dieser Produktausrichtung starke Impulse im Bereich für unter 300 Euro. Allerdings ist die Konkurrenz in diesem Regal eng beieinander. Von der Ausstattung her vergleichbar ist das ZTE Blade V10 mit Triple-Kamera aber weniger Speicher zum gleichen Preis. Demgegenüber sind das Huawei Mate 20 lite und das Honor 8X kaum schlechter ausgestattet, aber dafür günstiger zu haben. Das Honor 8X bietet mit 6,5 Zoll sogar noch eine größere Displaydiagonale.
Zum Preis von 299 Euro ist das Wiko View 3 Pro ab sofort erhältlich. Käufer können zwischen den Farbvarianten Anthracite Blue/Gold und Deep Bleen wählen.
Im Hands-On: Das View 3 ohne Pro als günstige Alternative
Wer nicht ganz soviel Budget hat, für den hat Wiko noch ein Modellpaket mit etwas weniger Ausstattung geschnürt. Das Display ist minimal kleiner (6,26 Zoll), der Prozessor etwas schwächer und im Gerät stecken nur halb so viel Nutzerdatenspeicher und RAM drin. Dennoch teilt sich das Modell viele Stärken mit dem Pro-Modell. Dazu zählen die Ausstattung mit Triple-Kamera, Android 9, 4.000-mAh-Akku sowie Face Unlock und Fingerabdrucksensor. Vor diesem Hintergrund ist das View 3 ohne Pro nochmals etwas günstiger bepreist: Es ist für 180 Euro erhältlich. Unseren Ersteindruck zum View 3 findet ihr im Hands-On. Wem auch das View 3 noch nicht günstig genug ist, der kann das Wiko View 3 Lite in Betracht ziehen.
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Images by Berti Kolbow-Lehradt
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Schlagwörter: Einsteiger-Smartphone, Smartphone-Test, Smartphones 2019, Triple-Kamera, Wiko, Wiko View 3, Wiko View 3 Pro