Nicht alles an der Corona-Pandemie war schlecht. Mir persönlich brachte sie einige wichtige Erkenntnisse. Die erste: Ich entwickelte erstmals wirklich Lust zu verreisen. Die zweite: Remote-Work ist besser als gedacht.
Die erste Erkenntnis lief zusammen mit meiner langen Liebe zur japanischen Kultur. Statt immer nur zu denken „wäre schon cool, mal dort zu sein“ kam mir endlich die wichtige Frage „Warum nicht?“ Und mit dieser entsponn sich eine immer größer werdende Idee einer Reise ins Land der aufgehenden Sonne.
Die zweite Erkenntnis wurde mir dagegen durch die Umstände aufgedrückt. Zuvor dachte ich immer, dass ich meinen festen Arbeitsplatz benötige, zu dem ich jeden Tag hin und zurück gehe. Das pandemiebedingte Homeoffice hat die Situation einmal gedreht und ich könnte es mir kaum mehr ohne Remote-Work vorstellen.
Da meine Reisepläne immer größere Dimensionen annahmen und ich neben den touristischen Aspekten auch etwas mehr vom Alltag erleben wollte, wurde mir die logische Lösung immer klarer: Ich mach es – so fern es die Arbeit erlaubt – als Workation.
Bald 2 Jahre nach der Idee und mit endlich wieder offenen Grenzen, sitze ich hier in Japan und arbeite seit mehr als einem Monat vom anderen Ende der Welt. Davor war die erste Woche noch ein Urlaub, damit ich Tokio und Umgebung erstmal nach Herzenslust erkunden kann.
Gute Vorbereitung ist wichtig
Wie wichtig gute Vorbereitung ist, durfte ich bereits bei der Anreise erfahren. Bei meiner ersten Flugreise verhinderte gleich ein Unwetter, dass ich meinen eigentlichen Anschlussflug bekam und erst mit mehreren Umbuchungen und gewaltig Glück kam ich dann doch noch am selben Tag an. Nur mein Koffer hatte es im Chaos noch nicht nach Tokio geschafft.
Umso wichtiger, dass ich alles für die Arbeit wichtige im Handgepäck bei mir hatte. Auch wenn der Koffe wenige Tage später endlich eintraf, hätte ich so auch problemlos arbeiten können. Auch zwei Reisekreditkarten sollten dafür sorgen, dass ich Ausweichmöglichkeit hätte, wenn eine nicht funktioniert oder das Limit doch mal knapp werden sollte. Mit einem Airbnb hatte ich zudem für meinen gesamten Aufenthalt eine feste Unterkunft inklusive eines ordentlichen Arbeitsplatzes von dem ich aus arbeiten kann. Trotz geplanter Urlaubsphasen in denen ich auch außerhalb bin, war mir der quasi feste Wohnort während meiner Workation sehr wichtig.
Ebenfalls wichtig: Internet und Zugriff auf alle wichtigen Dienste. Da ich als Redakteur drölfzig verschiedene Dienste nutze, habe ich vorher natürlich sichergestellt, dass ich auch die Zugänge habe oder mir notfalls jemand anderes den Zugang geben kann. Fürs Internet habe ich mich für ein Pocket WiFi entschieden. Es ist zwar nicht so modern wie eine e-Sim, aber so muss ich beim Arbeiten keinen Hotspot öffnen und habe ein Gerät für alle Zugänge. Außerdem hatte ich einen guten Datenplan gefunden, der mich zuverlässig und ohne Datenlimit versorgt. Zuverlässiger sogar als in Deutschland. Bislang hatte ich nur keine Verbindung, wenn ich im Zug durch einen Berg fuhr.
Ein neuer Arbeitsrhythmus?
Den Arbeitsrhythmus von Zuhause kann man natürlich nur bedingt beibehalten, wenn man den Kollegen 7 Stunden voraus ist. Meist fange ich trotzdem schon morgens an und mache gegen Mittag eine größere Pause von 3-4 Stunden, in denen ich dann auch mal etwas kleines unternehmen kann. Den Rest arbeite ich danach, wodurch auch Meetings, Absprachen und Social Media-Aktivitäten kein Problem sind. Zusätzlich schau ich auch am späten Abend in den Social Media-Feed.
Trotz der vielen neuen Eindrücke die man sammelt, befreit die neue Umgebung den Kopf aber zugleich etwas. Von einem Ort aus arbeiten zu können, der zugleich auch ein persönlicher Urlaubstraum ist bringt schon etwas Frische in den Kopf. Ich glaube je kreativer die Arbeit ist, desto mehr profitiert man durch die neuen Perspektiven in einem anderen Land. Aber auch sonst tut der Tapetenwechsel einfach mal gut.
Die Arbeit an sich ändert sich aber eher wenig. Hier war es eher die Umgewöhnung vom großen Monitor zuhause zurück auf den deutlich kleineren Laptop. Ansonsten bin ich Remote-Arbeit gewöhnt und durch die feste Unterkunft hat man auch schnell seine Routine drin. Zwar ist die Webcam im Laptop deutlich schlechter, aber zumindest mein gutes Headset habe ich von Zuhause mitgenommen, damit man mich in Online-Calls zumindest gewohnt gut versteht.
Wo ich natürlich fehle, sind Veranstaltungen in Deutschland. So war kürzlich die OMR in Hamburg, bei der ich selbst nur im Stream die früheren Events verfolgen konnte, während die Kollegen sich vor Ort ins Getümmel stürzten.
Andere Freizeitgestaltung
Eher in den Unternehmungen drum herum ist es eine Umgewöhnung. Am Anfang versucht man noch jeden Tag irgendwas interessantes zu besuchen. Mittlerweile gehe ich dann doch oftmals auch zu näheren und mir bereits vertrauten Orten. Es ist eben kein Urlaub und man muss nicht jeden Tag etwas spannendes und neues entdecken. Genau so schön ist es, wenn man den halbstündigen Fußweg durch die verwinkelte Nachbarschaft nach Nakano mittlerweile ohne Google Maps schafft. Und manchmal muss man sich auch den Luxus des Nichtstuns gönnen, um die eigenen Akkus wieder aufzuladen. Ich entschied mich ja gerade für eine Workation, weil man mehr Zeit hat und einen Gefühl für den Alltag im anderen Land entwickelt.
Auch nach der Arbeit ist die Gestaltung dann etwas anders. Wegen der Pause hat man später Feierabend und wegen der recht günstigen Preise geht es gerne nochmal auswärts essen. Außerdem zock ich deutlich weniger als sonst. Mein Laptop ist für viele Spiele schlicht zu schwach und das Spielerlebnis selbst ist auch etwas anderes als an einem Gaming-Setup. Aber immerhin habe ich mir trotzdem meinen Xbox-Controller mitgenommen.
Urlaub mit leichtem Gepäck
Wegen der festen Unterkunft bin ich mit etwas mehr Gepäck angereist, als ich es sonst getan hätte. Den Koffer muss ich ja nicht durch ganz Japan ziehen, sondern erst wieder am Ende wieder nach Hause schleppen. Für alle Aufenthalte außerhalb kann ich dagegen mit angenehm leichten Gepäck reisen.
So hatte ich ein verlängertes Wochenende außerhalb verbracht und war nur mit meinem Rucksack unterwegs. Da ich meinen Laptop trotzdem mitgenommen hatte, wurde der Rucksack aber trotzdem überraschend voll und schwer. Jetzt steht ein Urlaubsblock mit einer 6- und einer 5-tägigen Reise bevor und ich muss schauen, wie ich das mit dem Laptop am besten löse oder ob er doch mal zurückbleibt. Unterm Strich ist das Reisen mit wenig Gepäck durch eine feste Basis ein angenehmer Luxus, den ich ohne die Workation nicht gehabt hätte.
Zwischenfazit: Workation ist eine großartige Arbeits- und Lebenserfahrung
Nach über einem Monat Arbeit aus einem fernen Land fällt das Zwischenfazit meiner ersten Workation sehr positiv aus. Von der Arbeitsweise ändert sich zwar nicht so viel zum gewohnten Homeoffice, aber es ist genug Veränderung, damit sich die Arbeit wieder etwas frischer anfühlt. Die Arbeit ist zugleich aber auch ein guter Anker, um in den Alltagsmodus zu finden. Man hat eine neue Umgebung, fühlt sich aber schnell heimisch.
Nebenbei kann man außerdem immer mehr vom neuen Land kennenlernen. Nur an den Arbeitstagen muss man die richtige Balance finden und sich auch einfach mal völlig unspektakuläre Tage gönnen. Schließlich besucht man das Land nicht nur, sondern lebt für die Zeit in diesem. Und es gibt auch innerhalb der Workation tatsächliche Vacation, also Urlaubstage, an dem man dann komplett die touristischen Dinge tun kann. Für mich geht es jetzt für einige Tage nach Kyoto und anschließend auf eine kleine Reise durch kleinere, historische Orte. Ich freue mich schon, dass am Ende des Urlaubs weder ein langer Flug noch Jetlag auf mich wartet, sondern es per Shinkansen-Schnellzug zurück zu meinem aktuellen japanischen Zuhause geht und ich erholt auf die letzte Strecke meiner Workation gehe.
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