Die 2011 gegründete Arbeitsvermittlungsplattform WorkGenius (damals „Mylittlejob“) kennen wir Netzpiloten schon von Anfang an. Wir nutzen sie regelmäßig immer dann, wenn es eng wird im Redaktionsalltag. Mit letzter Kraft noch schnell einen Rechercheauftrag abgesetzt oder eine Übersetzung in Auftrag gegeben, idealerweise an einen dafür qualifizierten Studenten – das hat uns schon manches Projekt gerettet.
Die Angebote solcher Matching-Services funktionieren grundlegend ähnlich: Im Zentrum steht eine smarte Plattform, auf der mit wenigen Schritten Aufträge (zum Beispiel Recherchen, Übersetzungen, Grafikarbeiten oder Programmierungen) eingestellt werden können. Ein Preis wird festgelegt und wie von Geisterhand schnappt sich einer der angedockten Studenten oder Freelancer den Auftrag und schickt uns – vielleicht sogar über Nacht – das Ergebnis. Bei WorkGenius ist die Geisterhand eine Künstliche Intelligenz, die nach passenden Studenten/innen sucht. Sie wickelt auch alles andere ab. Das Team hilft auf Wunsch aus, beispielsweise wenn Auftraggeber Großprojekte über WorkGenius abwickeln wollen. Wir finden: Eine tolle Sache!
Als Digital-Enthusiasten stellen wir uns die Auftragnehmer natürlich am liebsten als entspannte Digitale Nomaden vor, die im Internetcafé auf Bali unseren Auftrag bearbeiten. Oder glückliche Freelancer/innen, die irgendwo in der Pampa sitzen und sich freuen, unseren 30 Euro-Auftrag zu bekommen. Studien zufolge gibt es Hundertausende von Freiberufler da draußen, die die zeitliche und lokale Flexibilität des neuen Arbeitens nutzen. Das plattformbasierte Arbeiten der ersten Generation, die sogenannte Gig-Economy, wurde erst gefeiert, dann wegen Preis-Dumpings auf Schultern der meist unversicherten Arbeitnehmer kritisch gesehen. Aufzuhalten ist das neue Arbeiten aber nicht. Neben der traditionellen Studentenarbeit lagern weltweit große Konzerne zunehmend ganze Arbeitsprozesse aus. Intelligente Maschinen werden zukünftig die Arbeitswelt weiter stark verändern und viele Festanstellungen aufbrechen. Eine neue Generation von Arbeitsplattformen, zu denen sich auch WorkGenius zählt, will sich in ihrer Arbeit auf die Talente konzentrieren.
Wir sprechen in Hamburg mit Daniel Barke, einem der beiden Gründer und CEO von WorkGenius über sein kürzlich upgegradetes Unternehmen und den aktuellen Stand des Crowdwork-Trends.
Hallo Daniel! Besonders sympathisch finden wir an eurem Dienst, dass ihr mit Studenten arbeitet. Das beruhigt so ein bisschen das Gewissen, dass man nicht eine überqualifizierte Arbeitskraft um ordentliches Geld und die Zusatzleistungen einer Festanstellung prellt. Seht ihr das auch als euer herausragendes Merkmal?
Ja, das ist ein wesentlicher Ansatz unserer Infrastruktur, den wir allerdings auch für Freelancer umsetzen. Wir haben das Modell ja aus dem Studium heraus quasi für uns selbst entwickelt. Künstliche Intelligenz war für uns in zweifacher Hinsicht entscheidend. Zum einen können unsere Algorithmen heute eigenständig lernen und damit Profile nach dem ersten Profiling kontinuierlich weiterschreiben. Zum anderen werden Tätigkeiten durch intelligente Maschinen aufgesplittet und viele Festanstellungen werden wegfallen.
Soeben habt ihr euch umbenannt von Mylittlejob zu WorkGenius. Ganz offensichtlich wollt ihr erwachsener und mehr business-preppy daherkommen. Was habt ihr am Service verändert?
‚Business-preppy’ trifft es nicht schlecht. Die Umbenennung war der Entwicklung geschuldet, da über „Mylittlejob“ längst komplexe Projekte von Konzernen abgewickelt wurden, außerdem haben wir unsere Infrastruktur im Mai dieses Jahres erstmals für Freelancer geöffnet.
Du kannst es wahrscheinlich nicht mehr hören, aber die Kritik an der vermeintlich unfairen Bezahlung von Plattformarbeit der Gig-Worker hält immer noch an. Ist die kritische Haltung nach wie vor gerechtfertigt? Wie hat sich das Crowdworking verändert in den letzten Jahren?
Die Kritik ist absolut berechtigt, wenn Gig-Modelle Arbeit in einen internationalen Preiswettbewerb stellen, also Fließbandarbeit ausschreiben. Wir wollten ein Gegenmodell zur Gig-Economy entwickeln. Unsere Algorithmen sind nicht auf Crowd programmiert, sondern auf Qualifikation. Jobs werden also nicht allen angezeigt, sondern nur exakt passenden Kandidaten, unabhängig von Elite-Uni-Abschlüssen, Herkunft oder Geschlecht. Die Bezahlung orientiert sich also nicht am Wettbewerb oder sozialen Merkmalen, sondern am Markt für sehr qualifizierte Arbeitskräfte.
Was sind die nächsten Ziele für den Alleskönner WorkGenius?
Es gibt noch keine Alleskönner am Markt, der ist noch am Anfang. Wir entwickeln aktuell unser Talentprofiling weiter, das irgendwann auch Leistungsmotive und -typen erkennen soll. Außerdem testen wir Formate für die Information und Selbstorganisation von Freien. Der gesamte Arbeitsmarkt steht noch ganz am Anfang, was bessere Modelle für freie Arbeit, also nach europäischen Standards, betrifft. Politik und Unternehmen müssen sich z.B. überlegen, wie sie freie Talente viel besser und schneller nach Kompetenz erfassen, binden und absichern können.
Image by Daniel Barke
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Schlagwörter: crowdworking, Data Driven Recruiting, freelancer, gig Economy, HR-Startup, Mylittlejob, Plattform-Ökonomie, WorkGenuis