Alle Jahre wieder ist nicht nur Weihnachten. Regelmäßig bricht auf der YouTube-Plattform die Panik vor einem drohenden Untergang einzelner Kanäle oder auch ganz YouTube-Deutschlands aus. Dieses Mal geht es sogar um ein EU-weites Problem, durch den mehr als umstrittenen Artikel 13.
Der Beschluss von Artikel 13 im EU-Parlament am 12. September ist nun schon ein paar Tage her und zwischenzeitlich wurde es vergleichsweise ruhig um das Thema. Nun baut sich aber eine neue Panikwelle auf. Nach einem Video des Kanals „Wissenswert“ melden sich wieder zahlreiche kleine und große Kanäle zu Wort.
Panik bringt Klicks
Endzeitstimmung ist auf YouTube nicht ungewöhnlich. Anfang diesen Jahres stellte YouTube höhere Anforderungen zur Monetarisierung von Videos auf. Vor allem kleinere Kanäle beschwerten sich daraufhin, dass YouTube sie damit klein halten wolle. Viele dieser kleinen Kanäle wissen dabei nicht einmal, dass sie bei einer Monetarisierung sowieso ein Gewerbe anmelden müssen. Das würde vielen Kleinstkanälen übrigens mehr kosten, als sie im Folgejahr mit ihrem Kanal verdienen.
2017 gab es außerdem die „Adpokaylpse“, als YouTubes Werbepartner sich nicht mehr vor zweifelhaften Inhalten schalten lassen wollten. Auch damals sollte ein Filter die Lösung sein, der einige Zeit brauchte, bis er richtig funktionierte. Obwohl YouTube selbst auch Einnahmen verloren gingen, waren wieder ganz viele YouTuber der festen Überzeugung, das Videoportal gehe bewusst gegen seine Videoproduzenten vor. Die meisten Kanäle veröffentlichen diese Panikvideos nicht einmal aus wirklicher Panik. Videos wie „YouTube schließt meinen Kanal“ sorgen einfach für massig Klicks.
Auch am 6. November steht das Video „Warum es YouTube nächstes Jahr nicht mehr gibt“ von Wissenswert immerhin noch auf dem sechsten Platz der Trends. Platz eins lockt mit dem zurückhaltenden Titel „Mein Kanal wird gelöscht! Das Ende von YouTube“. Auch Platz fünf und zehn stehen ganz im Zeichen des drohenden Untergangs. Aber auch viele kleinere Kanäle springen dann dankbar auf den Zug auf, um ein Stück vom Klick-Kuchen abzubekommen.
Auch YouTube warnt vor Artikel 13
Unüblich ist, dass die Schuldzuweisung diesmal nicht gegen YouTube geht, sondern gegen die EU-Politik. Auch YouTube selbst mischt in der #SaveTheInternet-Kampagne mit, die eine Durchsetzung des Artikels aufhalten soll.
Das Video von Wissenswert bezieht sich unter anderem auch auf den neuesten Creator Blog-Eintrag von YouTube CEO Susan Wojcicki. Sie warnt davor, dass Artikel 13 in seiner jetzigen Fassung Millionen von Menschen daran hindern könnte, Inhalte auf YouTube hochzuladen. Hunderttausende Arbeitsplätze seien bedroht, sowohl Creator als auch zahlreiche Unternehmen. Wojcicki ruft dazu auf, selbst zu handeln und in sozialen Netzwerken unter dem Hastag #SaveYourInternet die Stimme zu erheben.
YouTube hat sogar eine eigene Seite dafür eröffnet, auf der sie den Artikel 13 erklären, mögliche Folgen darlegen und sich für eine gemeinsame und bessere Lösung aussprechen. Dabei wird sogar direkt dazu aufgerufen, ein Video zum Artikel 13 zu erstellen – ebenfalls ein Grund, dass YouTube derzeit von #SaveYourInternet-Videos geflutet wird.
Was ist dieser Artikel 13 überhaupt?
In Artikel 13 geht es darum, Anbieter für die von den Nutzern hochgeladenen Inhalte haftbar zu machen. Für große Portale ist das nur mit Hilfe eines Uploadfilters zu bewerkstelligen. Da diese Filter nicht immer einwandfrei funktionieren, könnten Inhalte oder auch ganze Kanäle versehentlich unter falscher Annahme gesperrt werden.
Bislang gibt es noch keine genaue Ausformulierung zur Umsetzung der Uploadfilter. Wovon YouTube und diverse Untergangsprediger ausgehen, ist dabei die schlimmstmögliche Auslegung. Dieses Horrorszenario geht davon aus, dass Privatpersonen in der EU aus Urheberrechtsgründen kaum mehr Videos erstellen können und selbst der Zugang zu Videos nichteuropäischer YouTuber stark eingeschränkt wird. Selbst Memes würde in den sozialen Medien der Untergang drohen, da sie sich visuellen Fremdmaterials bedienen.
Noch kein Grund zur Panik
Natürlich ist es wichtig, dass die Internetnutzer ihre Meinung deutlich formulieren können. Viele Politiker haben noch immer eine gewisse Distanz zum Internet und damit keinen Blick für die Besonderheiten des Mediums. Da das Internet mittlerweile ein Milliardengeschäft ist, braucht es ganz klare Regeln – aber diese dürfen nicht sämtliche kreative Impulse behindern.
Etwas weniger Übertreibung würde dem Thema aber guttun, vor allem, wenn man ernst genommen werden will. Aufeinander zugehen muss man von beiden Seiten, damit Kompromisse entstehen können. Davon abgesehen gibt es auf YouTube bereits einen Uploadfilter namens Content ID. Dieser Filter vergleicht Videos mit geschützten Inhalten und lässt Rechtsinhaber darüber entscheiden, was bei einem Verstoß passiert.
Außerdem werden nicht alle Unternehmen per se ihre Inhalte radikal schützen wollen. Dafür existiert einfach eine zu große Marketing-Maschinerie rund um Social Influencer, ohne die viele Unternehmen gar nicht erst groß geworden wären.
Auch die DSGVO hat sich nicht als der große Untergang des Internets herausgestellt, den viele vorausgesagt haben. Auch da wurde ignoriert, dass vor allem in Deutschland viele Aspekte bereits gesetzlich verankert waren, aber selten beachtet wurden. Ähnlich dürfte am Ende auch der tatsächliche Einfluss des Uploadfilters ausfallen. Sterben wird YouTube 2019 sicherlich nicht.
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Schlagwörter: Artikel 13, DSGVO, Ende von Youtube, EU-Politik, Kanäle werden gesperrt, Social Influencer, Youtube geht unter