Von Videos bis Social Media, von Smartphones bis Paywalls – diese Daten definieren, wo wir uns gerade in der “Zukunft der Nachrichten” befinden – ob es Ihnen gefällt oder nicht. Wir werden jeden Tag mit unendlich vielen Zahlen überschüttet und manche von ihnen wollen Maße, oder sogar Richtwerte sein. Uns fällt es schwer herauszufinden, welche davon wichtig sind und welche sich in der Geschichte der Nachrichten-Transformation nur als Fußnoten erweisen. Könnte es der ARPU (der durschschnittliche Erlös per Kunde) sein? Oder der TOS (Type of Service, dient der Klassifizierung von Datenpaketen)? Oder die Post-Click-Activity? Ich finde, wenn man versucht, die Zahlen sinnvoll aufzuarbeiten, kann das schon helfen, ein wenig Ordnung in das Chaos zu bringen.
Ich habe vor ein paar Wochen in Menlo Park mit einer Gruppe der Media Impact Funders gesprochen, direkt an der Sand Hill Road, wo viel Geld in potenziell erfolgreiche Unternehmen fließt. Diese Gruppe repräsentiert die Geldgeber des Journalismus, sie haben die Experimente der letzten zehn Jahre gesucht und groß gemacht.
Innerhalb von 15 Minuten habe ich ihnen zehn Zahlen mitgeteilt, von denen ich glaube, dass sie uns zeigen, wo wir heute stehen, in einer noch nicht klaren Zeit für die “Zukunft der Nachrichten”. Und hier sind sie, für Sie zum Grübeln am Strand. Diese Zahlen verdienen Ihre Aufmerksamkeit. Es ist keine ewige Top-Ten-Liste, sondern eine momentane. Sie wird sich sicher nochmal verändern. Ich freue mich über Ihre Anmerkungen.
14 Millionen
… (US-Dollar) betrugen die monatlichen Werbeeinnahmen der Digitalausgabe der New York Times im ersten Quartal dieses Jahres. Interessanterweise ist das auch genau die gleiche Zahl wie bei der Huffington Post, die neuerdings Verizon gehört. Die Zahl ist für alle Art von Spekulationen offen. Ist sie zu niedrig, wenn man sie mit der Reichweite der beiden Unternehmen vergleicht? Und ist es nicht bemerkenswert, dass die Times mit ihren etwa 1.300 Topjournalisten in etwa gleich hohe Werbeeinnahmen erzielt, wie die Huffington Post, die aber mehr als 100.000 Mitarbeiter weltweit besitzt? Es ist eine Zahl, von der Arianna sagt, dass sie die Millionen erreichen soll, und zwar zusätzlich zu den eigenen durchgängigen Hunderten. Was sagt uns das über den werbetechnischen Wert des Contents? Vergleicht man diese 14 Millionen mit den monatlichen Einnahmen von Google, die 5,7 Milliarden US-Dollar betragen, oder nur den 1,2 Milliarden US-Dollar von Facebook, sieht man, wie es in der Welt läuft. Noch eine Zahl: Rechnet man beide Zahlen zusammen, machen Google und Facebook zusammen mehr als 52 Prozent der nationalen digitalen Werbeeinnahmen aus.
50 Prozent
Heutzutage, so teilen es die Nachrichten-Unternehmen mit, wird über die Hälfte der Nachrichten über mobile Endgeräte konsumiert. Heruntergerechnet ergibt das 2:1 im Kampf von Smartphones gegen Tablets. Ein Bericht von Gartner hat im Voraus berechnet, dass bis zum Jahr 2018 mehr als 50 Prozent des weltweiten Zugriffes von Mobilgeräten ausgehen wird. Gute Nachrichten für die Smartphones. Und das ist auch kein Wunder: Es passiert immer wieder etwas und es bietet sich einfach an, die News unterwegs zu lesen. Die nationalen und weltweiten Verleger interpretieren dies als tiefgreifenden Wandel, primäre Frage und Möglichkeit zugleich, denn die meisten regionalen Nachrichten-Unternehmen tun sich noch immer schwer mit diesem Thema. Egal ob es um Umsatzgenerierung geht, über Produktdesign bis hin zum Engagement der Leser, die Verleger müssen sich an diese neue, unabhängigere, personalisierte Welt gewöhnen.
54.581
… ist die Zahl, die neulich bei LinkedIn genannt wurde. Damit sind alle Jobs im Bereich “Social Marketing”, vom Strategen über den Ausbilder bis hin zum Praktikanten gemeint. Das sind gut 20.000 Jobs mehr als in den Nachrichten-Redaktionen der kompletten USA existieren und eine neue Welt voller “erworbener Medien”. Vergessen Sie OPM (other people’s money), denken Sie an OPT: other people’s time. Unsere Milliarden Shares bewerben (oder verbannen) die Inhalte an ihre angestammten Plätze im Internet, und fast alles davon ist kostenlos. Die großen Nachrichten-Marken (BuzzFeed, Vox, Business Insider , Vice, Mic) verlassen sich alle enorm auf diese Art „erworbener Medien“. Fragen Sie mal einen dieser CEOs, wie viel Geld sie für Bezahlmedien ausgeben, und sehr wahrscheinlich wird die Antwort eine große, fette Null sein.
1:2
Videowerbung ist immer noch effektiver als getextete Werbeinhalte, aber viele Verleger können noch immer nicht genug Nachrichten-Videos produzieren, um genug Publikum anzulocken. Außerdem ist es noch immer zu teuer. Hier kommt Arianna Huffington wieder ins Spiel, die ein Video pro zwei geschriebener Artikel herausbringen will. Dieser Ankündigung folge eine Kaskade von Videoankündigungen der Huffington Post: 11 neue Serienformate, 2,3 Milliarden Videoklicks in etwa drei Jahren, mehr als 30 Millionen Aufrufe innerhalb der ersten sechs Folgen der Sendung ‘The Huff Post Show’. Die Huffington Post hat sogar ein neues Netzwerk gelaunched, dass sie “die nächste Generation des Onlinevideojournalismus” nennen. Es trägt den Namen Outspeak. Und zuletzt gab es folgende Annäherung: Verizon, jetzt mit der Huffington Post als Aushängeschild, hat sich neu erfunden, diesmal als Video-Provider. Eigentlich heißt das: Die großen Unternehmen nehmen Kurs auf die Medienwelt und dieser riesige Trend sagt uns viel darüber aus, wie es mit “Nachrichten” weitergeht.
63 Prozent
… der insgesamt 58 Milliarden US-Dollar schweren US-Werbeindustrie, also etwa zwei Drittel, sind “programmatisch”. Die Verleger spotteten einst darüber, aber nun kommen sie diesem Trend kaum hinterher. Mike Klingensmith, der Verleger der Star Tribune, will sich besser für die digitalen Werbeeinnahmen im programmatischen Bereich wappnen. Wie mir Sebastian Tomich, der stellvertretende Leiter der Abteilung Werbung und Innovation der New York Times mitteilte, können die meisten Zeitungen ihre Werbeprioritäten an drei Fingern abzählen. Diese wären im Bereich Content oder Content Marketing, oder auch Mobile Content, und eben dem programmatischen Bereich. Man kann sich schwerlich ein Szenario vorstellen, in dem die Werbekäufer die Zielgruppeneffektivität der programmatischen Konzepte nicht haben wollen würden, ein perfektes Zusammenspiel zwischen Nutzerdaten und Produkt.
75 Prozent
… lautet die Anzahl des Traffics, den BuzzFeed durch soziale Medien bekommt. Diese Zahl hat Jonah Oeretti und andere dazu gebracht, Facebooks Instant Articles nicht mehr zu teilen. Vergleichen wir diese Zahl einmal mit den von anderen News-Medien: Vorreiter wie Deseret Digital Media aus Salt Lake City generieren etwa 30 Prozent ihres Traffics aus den sozialen Medien. WBUR etwa 33 Prozent, Quartz immerhin schon 60 Prozent. Die meisten Tageszeitungen bewegen sich zwischen 6 und 12 Prozent. Immerhin konnten bestimmte Traditionsmarken in den frühen Tagen des Internets ein großes Publikum außerhalb der sozialen Netzwerke aufbauen, heutzutage sind die sozialen Medien der direkte Weg zu einem neuen, jüngeren Publikum.
1,5 Millionen
… tägliche, zahlende Leser hat die New York Times. Interessanterweise hatten sie vor etwa 20 Jahren die gleiche Leseranzahl, als alle noch für die gedruckten Zeitungen zahlen mussten. Heute zahlen beinahe eine Million Leser für die Digitalausgabe und etwa eine halbe Million für die tägliche Printausgabe. (Sonntags hat die Times etwa 2 Millionen Leser – es lebe die Sonntagszeitung!) Was machen wir nun mit dieser Zahl? Es kommt darauf an, auf welcher Seite Sie stehen – Optimist oder Pessimist? Die Times kann sich freuen, dass sie ihre täglichen Zahlen in etwa gehalten hat, ganz im Gegensatz zu Anderen. Wir könnten auch bestätigen, dass das zahlende intellektuelle Publikum einer nationalen Zeitungsquelle etwa, nun ja, ein halbes Prozent der US-Bevölkerung beträgt, damals wie heute. Lustigerweise hielt man im Jahr 1995 bei den gleichen Leserzahlen die Times für ein enorm erfolgreiches Unternehmen. Heute wurden schon so manche Wetten über ihr Weiterleben als unabhängiges Unternehmen abgegeben.
36.000
… ist in etwa die Zahl der Jobs, die in den US-Redaktionen übrigbleiben, jedenfalls wenn wir uns an den Zahlen der ASNE-Zählung, die im August herauskommen sollen, orientieren. In den vergangenen Tagen gab es kaum Berichte über Verkäufe und Personalabbau. Manche Verleger schlossen daraus, die Probleme der Nachrichten-Industrie würden durch permanente Berichterstattung nur verschlimmert werden. Nun tritt Jim Romenesko zurück und die Schieflage verschlimmert sich noch weiter. Gelegentlich wird von Entlassungen in größeren Redaktionen berichtet, wie beispielsweise bei der Denver Post vor ein paar Wochen. Ein paar Dutzend Entlassungen hier oder dort fallen meist jedoch nicht weiter auf. Redakteur Greg Moore hat es so zusammengefasst: “Man muss schlichtweg… die Ausgaben und die Einnahmen ausbalancieren.” Wenn man nun seit einigen Jahren (seit 2007) keine Einnahmen hatte, muss man eben Jobs wegstreichen. Die Redaktionen leiden darunter. Wir können selbst nur raten: Wie viele Artikel, sowohl online als auch im Print, hätten 20.000 Journalisten produzieren können, die es nun nicht mehr tun? Was wissen die Gemeinden nicht, was sie noch vor etwa 10 Jahren hätten erfahren können?
0,5 Prozent
… ist die Prozentzahl der monatlichen Neubesucher, die der Boston Globe dazu gebracht hat, sich für ein Monatsabo anzumelden. Unter den Digitalzeitungen ist der Globe der Anführer, er vermeldete neulich mehr als 65.000 Digitalabonnenten und etwa 11 Millionen Besucher. Vergleichen Sie das mit der New York Times. Die Times zählt laut comScores neuester Untersuchung mehr als 960.000 Digitalabonnenten innerhalb des US-Publikums. Im Mai hat die Times etwa 60 Millionen Besucher vorzuweisen, und das auch erst zum zweiten Mal. Bei diesen Zahlen ergibt das etwa einen Prozentsatz von 1,5 der Einmalbesucher. Das heißt: Das Modell der Times, seine Inhalte nach den Lesern und dem Erlös auszurichten, funktioniert bei den Regionalzeitungen eher noch schlechter. Die Zahlen des Globe sind gut, aber trotzdem nur etwa ein Drittel von dem, was generiert werden könnte. Die meisten Einnahmen sind deutlich niedriger als die des Globe. Wir warten aber noch immer auf die Zahlen der Newspaper Association of America von 2014. (Im vergangenen Jahr kamen sie im April heraus, nun haben wir Mitte Juni und noch immer keine Zahlen. NAA sagt, sie sind in Arbeit, aber man kann noch kein Datum für die Veröffentlichung bekanntgeben.) Die Flugbahn dieser Hochrechnungen wirkt mittlerweile, als ob man die Paywall-Strategien noch einmal überdenken müsse.
44
… Minuten verbringen die Leser der ‘La Presse’ aus Quebec mit der Tablet-Ausgabe, und zwar jeden Tag. Das ist eine sehr beeindruckende Zahl und es scheint, dass alles, was wir über das Lesen digitaler Nachrichten zu wissen scheinen, falsch ist. Dankenswerterweise wird es ab Mitte September einen Testlauf des The Star aus Toronto geben. Möglicherweise liegt es an den Quebecern, aber falls nicht, wird der Erfolg auch bald auf andere Nachrichtenproduzenten herüberschwappen, die sich dann neu erfinden müssen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf NiemanLab. Übersetzung von Anne Jerratsch.
Image (adapted) „one two three four“ by Jane (CC BY 2.0)
Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: Daten, Medienwandel, Mobile, Nachrichten, NiemanLab, zahlen, zukunft
1 comment