Schon in der Antike wurden die Überbringer schlechter Nachrichten geköpft. Im Falle Thilo Sarrazins, das derzeitige enfant terible der politisch-kulturellen Szene, ist das Schafott schon poliert und strammgezogen, die sterile Plane schon ausgelegt, damit der schön polierte Boden auch keinen unansehlichen Spritzer abbekommt, wenn er rollt, der Kopf des Bundesbank-Vorstandes.
Ein SPD-Politiker. Auch das noch. Und so ganz nebenbei auch Autor des in Deutschland wahrscheinlich (un)populärsten Sachbuchs: „Deutschland
schafft sich ab: Wie wir unser Land aufs Spiel setzen“.
Im Angesicht der geschliffenen Klinge spricht Sarrazin inzwischen auch mal von beachtlichem psychischem Druck. Fest steht, dass ihm, dem zähen Sysiphos der
politischen Provokation, der Kopf abgeschlagen wird.
Ja, Provokateur Sarrazin ist die derzeit nachhaltigste Störfrequenz in unserer korrektsauren Diskurskultur. Da kann sogar der frisch gebackene Bundespräsident Wulff gleich mal mächtig mitmischen und das internationale Ansehen Deutschlands in der aktuellen Diskussion gleich auch noch mit auf die Bühne heben.
Denn Schwester Thilo ist im Fetisch-Fummel in unser Integrationskloster gelaufen und hat die Nietenpeitsche knallen lassen. Dass er mit dieser Aktion tatsächlich schwerwiegende Verfehlungen begeht, steht ausser Frage und soll hier nicht entschieden werden. Ist es doch viel interessanter zu beobachten, wie die Hinrichtung des Besessenen arrangiert und
exekutiert wird…
Da kommt dann auch mal der Islamratsvorsitzende Ali Kizilkaya im „Hamburger Abendblatt“ dringlich zu Wort. Da warnt der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, vor der Mobilisierung Rechtsradikaler durch einen überstürzten Rauswurf aus seinen öffentlichen Ämtern. Vielleicht sollte man das Buch aber doch lieber gleich auf den Index setzen, weil es sich durchaus als neuer Bestseller volksverhetzender Schriften eignet?
Wobei, der Mann ist Bundesbanker, kein Literat. Er hat sich, wie es einer akademischen Erziehung entspricht, mit Zahlen und Statistiken auseinandergesetzt, teils konfuse, teils überambitionierte Schlussfolgerungen gezogen und seine eigene Interpretation der dargestellten Realität in einer extrem unbeholfen formulierten Weise niedergekritzelt. „Radikale Lösungsvorschläge“ eben.
Es dürfte ihm inzwischen mehr als bewusst sein, dass sein Kopf nach angemessener Besichtigung abgeschlagen wird. Vor der finalen Exekution und der Verbannung aus der Nachrichtenschleife gewährt man ihm einen letzten furiosen Ritt auf seinem Buch über den ausgebreiteten Medienteppich. Unser Thilo, auf das Beste aller Feste auf der Gästeliste eingeladen. Thilo, Thilo, Thesenthilo. Meister des integrationsviralen Marketing. Vielleicht ist unsere Fetisch-Schwester ja so sadistisch veranlagt, dass sie das Schafott billigend in Kauf nimmt. Und wir, wir müssen unserem Monster political correctness natürlich ein Opfer bringen, einen fein zerschnibbelten Sarrazin ohne Kopf.
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Schlagwörter: Diskurs, Gesellschaft, Kultur, Sarrazin